Billy Bob Thornton: Jeder glaubt immer, dass seine letzte Arbeit seine beste war, aber das Verrückte ist, in diesem Fall ist das wirklich wahr. Ich halte die dritte Staffel für die allerbeste. Auch, weil es hier um etwas geht, das in
Kalifornien ein Riesenproblem ist: Die Privatisierung von Wasser, die in einem der Bundesstaaten mit der allergrößten Trockenheit zu Korruption führt.
Und Ihre Figur?
Er hat das Problem, dass in der zweiten Staffel nicht alles aufgeklärt wurde. Und dass er den Job deshalb eigentlich nicht annehmen will. Er kennt sich mit Wasserrechten nicht aus. Aber weil er eine persönliche Verbindung zu einigen Leuten hat, nimmt er den Fall an und ist zu Beginn ziemlich verloren. In der ersten Staffel spielte vieles im Gerichtssaal, in der zweiten fast gar nichts. Die dritte ist eine Kombination aus beidem.
Einige Charaktere aus der zweiten Staffel kehren zurück, und Sie haben einen neuen Co-Star, den Sie schon lange kennen…
Ja,
Dennis Quaid! Dennis und ich sind seit 30 Jahren befreundet, und es war wirklich nett, mit einem alten Kumpel zu arbeiten. Ana de la Reguera spielt die Figur, die wiederkehrt, weil es zwischen uns noch ungelöste Beziehungsdinge gibt. Das ist ja immer so mit einem Expartner, der einen betrogen hat: man kann ihn trotzdem nicht loslassen.
Es gibt viele Szenen, in denen Sie scheinbar nichts tun, nur herumstehen, beobachten und eine
Zigarette rauchen. Was geht Ihnen bei solchen Szenen durch den Kopf?
Das ist, ehrlich gesagt, das Schwierigste für einen Schauspieler, ganz besonders, wenn du der Hauptdarsteller bist und gleichzeitig der Beobachter. Vor einigen Jahren drehte ich einen Film namens „The Man Who Wasn’t There“. Da saß ich sehr viel auf dem Sofa, rauchend und beim Haareschneiden. Und das war eine meiner Lieblingsrollen! Und deshalb bin ich auch so ein Riesenfan von Steve McQueen, dem großen Schweiger. Du musst nicht einen Haufen langer Monologe halten, um aufzufallen. Als Schauspieler solltest du fähig sein, Gefühle ohne Worte zu vermitteln, und das ist eine meiner Lieblingstechniken.
Ich wohne in Venice Beach und gehe seit Jahren immer wieder zu Chez Jay, das in der Serie als Ihr Büro fungiert. Gehen Sie privat manchmal in diese legendäre Bar?
Ich selbst gehe seit vielen Jahren zu Chez Jay. Das erste Mal war Mitte der 1980-er. Diese Bar hat so viel Geschichte. Jetzt haben sie gerade den hinteren Garten aufgemacht und wollen die Mauer mit all den Leuten bemalen, die über die Jahre Stammgäste waren. Sie haben mich um Erlaubnis gefragt, ob sie mich da raufmalen können. Ich sagte ja, unter der Bedingung, dass ich neben Steve McQueen drauf bin. Das fanden sie super.
Vor 20 Jahren sagten Sie, dass Fernsehen ganz groß kommen wird. Keiner hat das damals geglaubt. Jetzt ist es so. Können Sie das erklären?
Als ich jung war, war es verpönt im Fernsehen aufzutreten, wenn du Filmschauspieler warst. Es war richtig uncool und hat Karrieren zerstört. Ich war unbekannt, also war es nicht so wichtig, dass ich kleine Rollen in „Matlock“ spielte. Aber ein berühmter Star konnte das nicht. Der Grund, dass das Fernsehen nun so stark ist, hat mit dem Verschwinden des unabhängigen Films zu tun. Den gibt es nur noch in Frankreich oder Deutschland. Aber in den USA machen die Studios nur mehr Marvel-Filme. Und diese Lücke konnte das Fernsehen füllen: nicht nur mit Qualitätsserien, sondern auch mit Qualitätsfilmen, die sonst keiner mehr macht. Und wir Charakterdarsteller haben damit eine Heimat gefunden. Ich bin zu alt, um Batman zu spielen, ich müsste den Bürgermeister von Gotham spielen. Das will ich aber nicht.
Sie sagen immer wieder, dass Sie sich nicht vorbereiten auf eine Rolle ...
Jetzt noch weniger als früher. Ich schau mir diese Kollegen an, die einen Obdachlosen spielen und zur Recherche fahren sie im Luxus-SUV samt Bodyguard nach Downtown L.A.. Während der auf sie aufpasst, klettern sie in einen Karton. Und wenn sie sich von einem echten Obdachlosen bedroht fühlen, der nur eine Flasche will, werden sie vom Bodyguard gerettet – die könnten den Obdachlosen genauso gut spielen, wenn sie daheim geblieben wären. Denn wenn du dich wirklich wie ein Obdachloser fühlen willst, musst du obdachlos sein. Ohne Chance auf etwas anderes. Ich finde, je weniger ich etwas einstudiere, desto echter bin ich.
Sie sind ja nebenbei auch noch Musiker. Ist die Band Ihre wahre Liebe?
Ja, die Boxmasters haben über die Jahre eine richtige Anhängerschaft aufgebaut. Wir sind jetzt seit 13 Jahren eine Band. Ich bevorzuge es ja, ein Bandmitglied anstatt der Frontman zu sein. In Europa ist es ja auch allen egal, ob du Schauspieler oder Musiker bist, beides ist erlaubt. Ich bin als Kind mit Frank Sinatra, Dean Martin, Elvis Presley aufgewachsen. Die durften beides machen und das war ganz selbstverständlich. Heutzutage ist das alles so spezifisch, sogar die Radiostationen werden immer eintöniger, weil sie sich auf ein Genre festlegen. Früher waren James Taylor und Black Sabbath am selben Sender. Und daher ist es etwas ganz Besonderes, dass wir nach 13 Jahren die Nummer eins auf Americana Radio waren.
Gibt es eine neue Platte?
Ja, sie heißt „Speck“ und wurde vom ehemaligen Tontechniker der Beatles produziert. Und damit werden wir kommenden Sommer zum ersten Mal auch auf Europa-Tournee gehen.
„Goliath“ ist eine US-Krimi-Anwaltsserie mit Billy Bob Thornton als Hauptdarsteller, der dafür 2017 einen
Golden Globe erhielt. Alle drei Staffeln sind via Amazon Prime Video abrufbar.
Von Elisabeth Sereda
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