Beyoncé rettet die Chartpopehre
Na bitte, es geht doch.
Da wollte man schon in der düsteren Jahreswechsel-Gemütsbewegung den weiblichen US-Hauptstrompop für großflächig gescheitert erklären, angesichts so einiger verzweiflungsfördernder Neuveröffentlichungen.
Und dann, ganz ohne Pomp, taucht doch noch knapp vor Jahresende ein Album auf, das Pop dort hinstellt, wo er hingehört: Leichthändig mitten in den aktuellen Sound hinein, ohne anbiedernd zu sein. Ausgefeilt, verspielt, autobiografisch und erotikgeladen. Ein Popalbum, das die erwachsen gewordenen Pop-Hörer nicht für blöd verkauft.
Rekorde
Auftauchen ist hier das richtige Wort: Beyoncé Knowles hat das selbstbetitelte Album vergangene Woche kommentarlos in einen Online-Musikshop gestellt, wo es seitdem alle Verkaufsrekorde bricht. Die Branche und die Fans rieben sich verdutzt die Ohren, und auch die Augen, denn Beyoncé lieferte auch gleich fertige Videos zu den neuen Songs. Demnächst ist "Beyoncé" allgemein im Verkauf, schon zuvor steht fest, dass es ein weltweites Nummer-Eins-Album wird.
Zu Recht.
Beyoncé über das neuen Album
Beyoncé (32) steht selbstsicher auf der Höhe dessen, was Chartpop heute noch sein kann, nein: muss. Längst sind Hip-Hop, Schnulzen- und Elektropop und der glücklicherweise nur in den USA superbeliebte R'n'B zu einem ganz eigenständigen, selbstgewissen Neupopsound verschmolzen, den Beyoncé in Perfektion vorexerziert. Schöntönende Rumpelbeats, gekonnt zwischen handgemacht und hochkünstlich angesiedelte Sounds und selbst in den Balladen erstaunlich wenig nervende Stimmkapriolen - hier wurde an den richtigen Stellen geputzt und poliert.
A propos: in manchen Songs wird fleißig gerubbelt - da ist so viel Sex versteckt, dass es explizite und nicht explizite Versionen gibt. Vor dem kollektiven "Huch" an dieser Stelle gilt es zu erwähnen, dass Beyoncé in einer sehr öffentlichen Ehe mit Rap-Superstar Jay-Z lebt; die Freuden der monogamen Ehegemeinschaft sind als Popthema ja bisher deutlich unterbeleuchtet gewesen. Nun weiß man viel über Zungen und Lippen und dass das, was hoch geht, auch wieder runtergeht. Und dass man so einen Hintern noch nie gesehen hat.
Nunja, man ist schließlich kein Engel, wie Beyoncé in einem Liedtitel vermerkt.
Sonst geht es um das ganze Spektrum: Selbst- und Fremdbilder, Erfolg, Feminismus, und all das übrige, womit man sich als Teil des bestverdienenden Pop-Paares (122 Millionen Dollar waren es 2012) halt so beschäftigt.
Natürlich gibt es Abstriche: Beyoncé entkommen einige allzu hohle Balladen, die selbst für die Weihnachtszeit zu kitschig sind. Und das sich durchziehende Thema "Rückblick auf die Anfangsjahre meiner Karriere" ist vielleicht nicht jenes, mit dem sich allzu viele Hörer identifizieren können.
Karriererückblick
Und dem Album fehlt auch, trotz Brausewerbesong, der große Hit wie "Single Ladies".
Aber eigentlich: Umso besser! So lohnt es sich endlich einmal wieder, ein ganzes Album anzuhören.
KURIER-Wertung:
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