Bechtolf: Zu alt für den Junior-Partner

KURIER: Warum tut man sich einen Job wie diesen an?
Sven-Eric Bechtolf: Den tue ich nicht mir ich tue mich ihm an: In der Hoffnung, ihm gerecht zu werden.
Die
Salzburger Festspiele werden vor allem als
Musikfestival wahrgenommen. Als Schauspielchef bleibt man sowohl was die Möglichkeiten, die Mitsprache, als auch das Budget betrifft immer der „Juniorpartner, und das, obwohl der „Jedermann ein Klassenschlager ist.
Ihr Eindruck trügt Sie. Zunächst: Das Schauspiel produziert weit mehr Veranstaltungen als die Oper und das seit vielen Jahren höchst erfolgreich. Ich habe durch Alexander Pereira und Helga Rabl -Stadler so ziemlich absolute Hoheitsrechte in meinem Bereich. Das Budget für das Musiktheater ist natürlicherweise durch Orchester, Chöre, Sänger und Anforderungen der Bühnentechnik höher. Ich war und werde nie ein Juniorpartner, dafür wäre ich ohnehin schon zu alt. Der „Jedermann ist mehr als ein „Kassenschlager, er ist ein Teil der Identität der Festspiele und schließlich: Oper, Theater und Konzert, begreifen sich nicht als konkurrierende Abteilungen unter zufälligem Dach, sondern als eine unzertrennliche Einheit, die erst das Besondere und Wunderbare der
Salzburger Festspiele ausmacht.
Bei der Pressekonferenz im November sagten Sie: „Festspiele sind die Sonntage des Theaters und „Theater ähnelt vor allem denen, die es betreiben. Worin ähnelt Ihr diesjähriges Programm Ihnen?
Das müssen Sie schon selber herausfinden. Ich kenne mich ja kaum. Privat bin ich eher der Montag, eventuell Donnerstag.
Wie möchten Sie, dass die Ära Sven-Eric Bechtolf in Salzburg sich anfühlt?
Leidenschaftlich, kontrovers, fröhlich und nachdenklich zugleich.
Sie sind offenbar kein Freund ästhetischer Schmalführungen, sondern haben die Polyphonie im Schauspielbereich erweitert. Warum gerade mit Figurentheater, Kindertheater, Fremdsprachigem von Irina Brook?
Wittern Sie da einen Widerspruch? Das Theater hat unendliche Möglichkeiten. Jedes Jahr immer wieder Neues und Anderes dieser bestehenden und zu befördernden Vielfalt in exemplarischer Weise zu präsentieren, scheint mir meine Aufgabe zu sein. Und natürlich kann Theater in fremder Sprache und aus anderen Kulturkreisen bereichernd für das Publikum und die heimischen Spielbetriebe sein.
Sie haben sich in der Vorbereitung intensiv mit Festspiel-Gründer Max Reinhardt beschäftigt. Dem wurde von Kritikern mitunter Eskapismus vorgeworfen. Wie viel Eskapismus darf sein, muss sein? Und wie viel Zeitgenossenschaft?
Das Tagesgeschehen ist mitunter verwirrend, zumal wir Teil des Problems sind. Je näher wir einem Bild kommen, desto weniger Übersicht erlangen wir. Einige Schritte von der Leinwand weg zu wagen, ist noch kein Fluchtversuch. Hinschauen aber muss man. Es ist alles eine Frage der Perspektive. Ich glaube, dass Reinhardt eine großzügige, weise und humane Blickweise hatte. Eine Künstlerschaft besaß, die das Leichte, das Warmherzige und die Tiefe verband. Er wollte das Publikum „verzaubern. Er war suggestiv. Außerdem war er ein „Liebender. Diese Liebe galt dem Theater aber vor allem dessen Gegenstand: dem Menschen. Ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass mir das sehr sympathisch ist.
Wie wichtig ist das Füttern des Festspielpublikums mit Klassikern? Und wie viel Experiment verträgt Salzburg?
Das ist ja eine merkwürdige Wortwahl. Wir „füttern niemanden, und was das Publikum „verträgt, was es interessiert meinen Sie wohl, entscheidet es selbst. Das werde ich also in den nächsten Jahren erfahren.
Christian Stückl hat angekündigt, 2013 seinen „Jedermann nicht noch einmal aufpolieren zu wollen. Wird das ein anderer Regisseur tun?
Es gibt um den Jedermann in der Presse eine nicht ganz nachvollziehbare Aufregung. Da wird spekuliert, als ginge es um die Papstwahl. Also verhalte ich mich ausnahmsweise wie der Vatikan. Ich schweige und irgendwann, wenn es so weit ist, werden wir verkünden: Habemus Jedermann oder nicht.
Mit (teilweise) anderen Schauspielern?
Wenn wir in den nächsten Jahren einen neuen Jedermann produzieren sollten, ist das wahrscheinlich.
Wann kommt eine Neuinszenierung?
Da müssen Sie den Papst fragen.
Wann werden Sie den „Jedermann inszenieren? Eventuell in Anlehnung an die Reinhardt-Regiefassung.
In siebzehn Jahren. Ich werde Alfred Roller exhumieren lassen und mich in Séancen an Reinhardt und Hofmannsthal wenden.
Sie sollen in den nächsten Jahren den da-Ponte-Zyklus inszenieren. Wie geht sich das aus, zusätzlich zum sicher stressigen Amt als Schauspielchef?
Ich werde erst dazu Stellung nehmen können, wenn wir die Pressekonferenz im Herbst machen. Ich bin ein Liebhaber der Diskretion und Verschwiegenheit. Bis dahin bin ich noch nicht einmal gefragt worden.
Sie haben sich der Förderung junger (österreichischer) Autoren verschrieben, es soll jährlich einen Festspielschreiber geben. Ist auch an eine Art Wettbewerb ähnlich dem Young Directors Project, Young Conductors Award ... gedacht?
Nein. Ich bin zwar ein sportiver Typ, aber Wett-schreiben….das ginge mir denn doch zu weit.
All diese Projekte haben einen Sponsor. Wer fiele Ihnen für Dramatiker ein?
Montblanc.
Werden Sie neue Spielstätten erschließen? Peter Stein „erfand die Perner Insel; es gab auch schon Schauspiel in der Felsenreitschule ...
Wir bespielen dieses Jahr das Schauspielhaus im Nonntal. Weitere Spielstätten werden sicher hie und da einmalig erschlossen werden.

Die
Salzburger Festspiele bekommen heuer 57 statt 50 Millionen Euro Subvention; Alexander Pereira meinte aber schon, er brauche zusätzlich 4 bis 5 Millionen durch Sponsorengelder und Kartenerlöse, um den Qualitätsstandard zu halten. Wie viel von diesem Plus würde Ihrem Zuständigkeitsbereich zugute kommen?
Die eine Zahl ist so falsch wie die andere. Woher kommt es nur, dass sich diese Beträge, trotz Presseaussendung, nicht in den Redaktionen herumsprechen? Wir erhalten 13 Millionen von Stadt, Land, Bund und Tourismusförderungsfond zusammen. Die
Salzburger Festspiele haben weltweit konkurrenzlose 75 Prozent Eigenwirtschaftlichkeit. Alles in Allem, d.h. mit Karteneinnahmen, Sponsoring, und Subvention, errechnet sich ein Budget inklusive Deckungsbeitrag von 56 Millionen. Zum Vergleich: Die Staatsoper erhält 54 Mio. das Burgtheater 46 Mio., die Festspiele 13 Mio. Dabei werden seit zehn Jahren seitens der öffentlichen Hand die Tariferhöhungen nicht ausgeglichen. Die machen jährlich 500 000 Euro mehr aus. Das heißt 2013 eine Million mehr, 2014 1.500 000 usf. Ohne Sponsoring und Programmerweiterung könnten wir in wenigen Jahren dicht machen. Das alles bei einer Umwegrentabilität von ca. 250 Millionen Euro. Ich finde ein Hofknicks vor Pereira und Rabl- Stadler wäre angebracht. Und schließlich: Natürlich bin ich Nutznießer der so erhaltenen Infrastruktur.
Ein Kommentar zum Streit zwischen Pereira und dem Kuratorium?
Ich war sehr überrascht, dass sensible Daten und Programminhalte von Mitgliedern des Kuratoriums in der Presse ausgebreitet wurden.
Nein, nicht nur überrascht, sondern enttäuscht. Pereira hat lediglich reagiert. Weitere Äußerungen von mir würden diesen Konflikt womöglich weiter zuspitzen, insofern schweige ich dazu ich bin halt harmoniesüchtig.
Zum Team der
Salzburger Festspiele zu gehören, ist auch eine Händeschüttelfunktion. Es gibt heuer erstmals einen Festivalball. All diese Society-Angelegenheiten sind doch normalerweise nicht Ihr Ding. Wie werden Sie`s angehen?
Dezent. Im Hintergrunde mich verlierend.
Wie hoch ist für Sie der Wohlfühlfaktor in einer Stadt, in der es Stimmen gibt, die das Immendorff`sche „Affentor im Zoo, statt vor dem Festspielhaus, aufstellen wollten?
Einerseits: Stimmen wispern überall schlimmes Zeugs. Ihnen muss man entgegen treten. Oder sie vornehm überhören. Andererseits: Die Stadt ist weltoffen, schön, inspirierend. Ich kenne viele sehr gescheite Leute hier.
Sie machen zu
Pfingsten und im Sommer szenische Lesungen, haben angekündigt Oper inszenieren zu wollen. Wann werden Sie in Salzburg spielen? Sie wären der erste Schauspielchef, der als Schauspieler auf der Bühne steht!
Ehrlich: Das weiß ich noch nicht.
Man hört, Sie könnten schon bald in der Regie von Andrea Breth den „Wallenstein spielen.
Wo haben Sie das denn her? Ich möchte in der Regie von Andrea Breth noch alles mögliche spielen, ob sich das in Salzburg schon realisieren lässt werden wir sehen. Wallenstein sagten Sie? Bin ich dafür nicht etwas zu jung?
Sie waren ein hinreißender Guter Gesell/Teufel. Aus diesem Gespann ist oft ein „Jedermann erwachsen. Also?
Wenn meinem Nachfolger niemand anderes einfällt, stehe ich ab 2017 zur Verfügung!!!
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