Bad Ischl: Klassiker zwischen Sigmund Freud und Wiener Schmäh
Immer wieder lohnt es sich, nach Bad Ischl zum Lehár Festival zu reisen, weil Operette hier ernst genommen wird. So auch dieses Jahr: Mit „Wiener Frauen“ konnte man die erste Operette von Franz Lehár (UA 1902 in Wien) erleben. Es ist eine rasante Komödie über Claire, deren Klavierlehrer ihr ein Lied gewidmet und dem sie ewige Treue geschworen hat. Jetzt aber soll sie einen anderen Mann heiraten. Nach etlichen Verwicklungen gibt es ein Happy End.
Angela Schweiger hat die Komödie mit Rasanz und Witz in Szene gesetzt und lässt auch Platz für Ironie. Das Lehár Orchester unter Marius Burkert weiß die wunderbar eingängigen Melodien mit durchsichtigem, schlankem Klang schmissig aber auch einfühlsam zu präsentieren. Claire wird von Sieglinde Feldhofer mit klarem, schönem Sopran gesungen. Ihr ehemaliger Klavierlehrer wird von Gerd Vogel ideal verkörpert. Thomas Blondelle singt den derzeitigen Verlobten mit feinem Tenor aber etwa enger Höhe. Susanna Hirschler (Mutter von Claire), Josef Forstner (Musiklehrer Nechledil) Marie-Luise Schottleitner, Elisabeth Zeiler, Klára Vincze (dessen Töchter) überzeugen mit pointierter Komik.
Spaß und Unterhaltung
Gehirne schweben hoch oben im Raum. Unten regiert die zügellose Leidenschaft. Und all dies beobachtet Sigmund Freud. Wir befinden uns nicht nur zur Zeit des Wiener Kongresses, sondern auch beim „Ball der Wiener Psychoanalytiker“. Beim Klassiker „Wiener Blut“ hat Intendant Thomas Enzinger selbst Hand angelegt.
Und abgesehen von der fragwürdigen Freud-Idee wird in seiner Inszenierung Spaß und Unterhaltung großgeschrieben. Dabei werden die Figuren sorgfältig geführt. Einzig das Bühnenbild von Toto ist nicht gerade ein Ausbund an Geschmack. Allen voran ist wieder Sieglinde Feldhofer eine perfekte Gräfin. Thomas Blondelle singt den Grafen mit schmelzigem Tenor, neigt aber etwas zum Outrieren. Sein „G“schpusi“, die Tänzerin Franziska Cagliari ist die mit leichtem Sopran ausgestattete Martina Fender. Gerd Vogel ist ein perfekt sächselnder Minister, Josef Forstner gibt als Kagler einen oberkomödiantischen „Urwiener“. Das Buffo-Paar ist mit Reinwald Kranner als Josef und Marie-Luise Schottleitner als Probiermamsell Pepi ideal besetzt. Das Orchester unter László Gyükér lässt keine Wünsche offen.
Jubel!
Helmut Christian Mayer
Info: Das Lehár Festival läuft noch bis 28.8.- www.leharfestival.at - 2023 werden Leo Falls „Madame Pompadour“, Carl Zellers „Der Vogelhändler“ und Franz Lehárs „Schön ist die Welt“ geboten
Kommentare