Momente des Erscheinens und Verschwindens: mumok zeigt Kazuna Taguchi

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Die aus Japan stammende, in Wien lebende Künstlerin lässt in einer feinsinnigen Schau über das Wesen von Bildern nachdenken

Man sieht, zunächst einmal: Nichts. Der Eingang in den Raum, den das mumok für die Präsentation junger zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler nutzt, wurde verkleinert, und um das erklärende Booklet zu ergreifen, muss man einen Art Hofknicks machen. Das ist natürlich alles beabsichtigt, bremst es doch den Schritt und schärft die Aufmerksamkeit. 

Bilder, so scheint es auf den ersten Blick, spielen in dem Arrangement der Künstlerin Kazuna Taguchi fast eine Nebenrolle: Im kleinen Formaten und von breiten weißen Passepartouts umgeben hängen sie in fünf Raumabteilen. Wer sich mit ihnen eine Weile beschäftigt, wird sie allerdings nicht als "klein" in Erinnerung behalten - tatsächlich scheinen sich die Fotografien im Geist auszudehnen, getrieben von der Dichte an Überlegungen, die in ihnen steckt, aber auch von ihrer schlichten Schönheit.

Kazuna Taguchi, mumok

Die Künstlerin Kazuna Taguchi, 1979 in Tokio geboren, ist im Ausstellungsbetrieb hierzulande bisher nicht wirklich aufgefallen, sie tritt auch selten persönlich in Erscheinung, wie mumok-Kuratorin Heike Eipeldauer sagt. Der Sog, den ihre mit enormer Präzision ausgeführten Werke entwickeln, braucht aber auch niemanden, der dafür eine Werbetrommel rührt: Es geht bei Taguchi Kontemplation, um ein konzentriertes Betrachten jenes Prozesses, der aus der Welt ein Bild macht. 

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Um das Bewusstsein auf dieses "Dazwischen" zu lenken, macht Taguchi Bilder von Bildern: Ursprünglich als Malerin ausgebildet, kopiert sie Fundstücke aus Medien mit teils feinmalerischer Finesse, fotografiert das Gemalte wiederum ab, bemalt es, verbiegt oder knickt das Material. Eine Leinwand, ein Fotopapier, ein Stück Stoff ist nie nur Bildträger, es wird als Ding auch zum Bildsujet.

"The Eyes of Eurydice" ("Die Augen von Eurydike")  heißt eine Serie, der ein Großteil der im mumok gezeigten Werke entnommen ist. Hintergrund bildet der antike Mythos, in dem der Sänger Orpheus seine Frau Eurydike aus der Unterwelt unter der Bedingung zurückführen darf, sie nicht anzusehen - eine Aufgabe, an der er scheitert. 

Fotografieren und nicht festhalten

Wie es Eurydike damit ging, verschwieg der Mythos - für Taguchi war die Frage ein Anlass, über das Sehen und Verschwinden sowie den Wert dessen, was ein Bild festzuhalten vermag, zu reflektieren. In den Werken in der Schau blicken Augen auf die Betrachter zurück, sie sind gemalt, fotografiert, körperlos und doch präsent. 

Ein Tüchlein, ein Sofabezug oder eine Lederjacke führen in anderen Fotos einen Zustand vor, in dem etwas Gesehenes und Geschehenes seinen materiellen Widerhall sucht: Der in westlicher Kultur sozialisierte Mensch denkt vielleicht an das Schweißtuch aus der Passionserzählung, in anderen Kulturen gibt es die Vorstellung, der Mensch würde mit jedem Foto ein Stück seiner Essenz wie eine Haut ablegen. 

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Den Bereich zwischen dem Materiellen, dem Visuellen und dem Geistigen erforscht Taguchi dazu noch in einer Serie, für die sie Werke des italienischen Künstlers Lucio Fontana abfotografierte: Dieser machte es sich bekanntlich zum Markenzeichen, Leinwände durchzuschlitzen und damit das Verhältnis zwischen Bild und Raum zu öffnen. 

Taguchi bringt die Bilder durch Langzeitbelichtungen auf eine andere Ebene - und zeigt jenseits der puristischen Bildidee auch Schatten, Lichtreflexionen und das Material. Der Gedankenraum, zu dem diese Künstlerin die Tür aufstößt, wird sich unaufhörlich weiter ausdehnen. 

Bis 16. 11. 2025

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