Aus Alt machte Alt Neu: Bilder der Neuerfindung Wiens

Gerade postete eine Kollegin ein Foto des im Bau befindlichen Nationalmuseums von Abu Dhabi. Man sieht darauf ein Gerippe mit Kränen, weit entfernt von den glamourösen Ansichten, in denen das nach Plänen des Star-Architekten Norman Foster entstehende Bauwerk sonst überall in den Medien erstrahlt.
Fiktionale Ansichten aus der Zukunft – heute sagt man „Renderings“ dazu – sind essenziell, um bauliche Großprojekte zu „verkaufen“ und Glaube an die Genialität des Geplanten zu erwecken. Zu jener Zeit, als Mega-Baustellen noch nicht die Domäne des Nahen und Fernen Ostens waren und in Wien die Ringstraße erbaut wurde, war das nicht anders: Das ist eine Lehre aus der sehenswerten Schau über Jakob, Franz und Rudolf von Alt, die die Albertina bis 29. Jänner zeigt.

Der jüngste Alt
Franz Alt (1821 – 1914) – der jüngere Bruder des bekannteren Rudolf von Alt (1812 – 1905) – wird darin erstmals ins Rampenlicht gerückt. Zu Lebzeiten, erzählt Kurator Christof Metzger, war Franz erfolgreicher als Rudolf: Das lag primär an der Weltausstellung in Wien 1873, zu der der Maler spektakuläre und populäre Bilder schuf.
„Das Panorama Wiens mit der regulierten Donau“ ist ein solches – und als „Rendering“ voller unerfüllter Wünsche: So ist die Gegend am Donauufer jenseits des Nordwestbahnhofs darin als dicht bebautes Nobelviertel ausgewiesen. Tatsächlich machte der Börsenkrach 1873 – auch als „Gründerkrach“ bekannt – dahin gehenden Plänen den Garaus, erst der Millennium Tower sollte die Rückkehr des Kapitals in den Bezirk bedeuten.

Franz Alts „Vorher-Nachher“-Ansichten – sie stellen auch das nie erbaute „Kaiserforum“ mit der alten Hofburg und die sehr wohl erbaute heutige Staatsoper mit dem „Alten Kärntnertortheater“ gegenüber – streichen hervor, dass hoch exakte Malerei nicht automatisch mit Realitätsnähe einhergehen muss.
Was Letztere angeht, war Rudolf von Alt aber eine Leitfigur: Wer die Albertina-Schau abschreitet, kann seine Entwicklung nachvollziehen.
Zunächst mit dem Vater Jakob unterwegs, führte Rudolf seine Fähigkeit, die Atmosphäre eines Ortes im Bild zu erfassen, zu immer größerer Meisterschaft. Dass insbesondere das frühere Werk als Treibstoff einer Traummaschine funktionierte, ist offensichtlich: Die Sehnsuchtsorte Italiens oder der Alpen sind in einer Strahlkraft gegeben, von der die Tourismusbranche bis heute zehrt.
Spätere Werke Rudolfs werden düsterer, wolkiger – und sind so virtuos gemalt, dass die Künstler der Moderne den Wiener, wie William Turner in England, als Wegbereiter sahen. Und tatsächlich lässt die Unmittelbarkeit dieser Bilder die moderne Abu-Dhabi-Rendering-Ästhetik von heute alt aussehen.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde das Todesjahr Rudolf von Alts irrtümlich mit 1914 angegeben. Tatsächlich starb der Künstler am 12. März 1905.
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