Echte und virtuelle Welten verschmelzen bei "Box & Dolly"

© /Ars Electronica/Bot & Dolly

Festival

Was von der Zukunft übrig blieb

Die Ars Electronica ging, nicht ganz freiwillig, hinaus in die Stadt. Das war gut, aber kein gutes Omen.

von Georg Leyrer

09/08/2014, 06:00 AM

Die Ars Electronica in Linz ist, dreieinhalb Jahrzehnte nach ihrer Gründung, immer noch ein komisches Ding.

Es ist ein Kunstfestival mit Werken, die von den Kunstkritikern nicht einmal schief angeschaut werden. Es ist ein Technologiefestival, das technologiekritisch war, bevor dies noch cool war. Und es ist ein Festival zur Gesellschaft, das von dieser viel zu wenig bemerkt wird.

Denn hier treffen einander alljährlich jene, die sich nicht nur mit Technologie auskennen. Sondern die noch dazu eine Utopie haben. Sie wissen schon, das ist das, wofür man sich im Alltag schämt: Ein Gedanke, eine Idee, wie irgendetwas besser funktionieren, weniger mühsam sein könnte. Oder einfach nur weniger fad. Und diese Ideen werden dann, pardauz, gleich umgesetzt, ohne Amtsweg und Arbeitskreis: Es wird, meist mit einer ganz eigenen Mischung aus Hochtechnologie und Heimwerkercharme, etwas zusammengebastelt und nach Linz mitgebracht.

Das Ergebnis muss nicht immer immens sinnvoll sein, und nicht jede Lösung braucht ein dazugehöriges Problem: Unter den heurigen Mitbringseln der internationalen Utopisten waren ein auf einem Fuß balancierendes Sofa, ein bettelnder Roboter und ein Chor von sprechenden Haushaltsgeräten.

Aber, und das ist das unglaublich Komische an der Gegenwart: Das alles ist Teil einer weltweiten Kultur, die keineswegs nur aus armen Spinnern mit zu viel Tagesfreizeit besteht (jetzt im negativen Sinn). Sondern die, und wir übertreiben hier nicht, drauf und dran ist, die Welt zu beherrschen: Denn in derselben technologiekulturellen Ursuppe wie das balancierende Sofa wurden auch die globalen Digital-Konzerne geboren, die Facebooks, WhatsApps, SnapChats, Instagrams. Die zeigen: Aus dem kleinsten Gedanken kann online ein Milliardengeschäft werden. Wenn man ihn nur hat, diesen Gedanken.

Und dafür muss man halt auch den verschlungensten Gehirnwindungen hin und wieder freien Lauf lassen. Das Ergebnis dieser Frischluftkur fürs Hirn ist jährlich in Linz zu sehen.

Fünf Mal Paul

Heuer, nicht zuletzt wegen Kürzungen beim Budget, nicht an den gewohnten Festivalorten, sondern in weiten Teilen der Innenstadt: Im Dom kann man sich von fünf Robotern (die alle Paul heißen) zeichnen lassen. Hinter einem Einkaufszentrum kann man an Stangen drehen, die daraufhin quietschen. Am Ars Electronica Center bläst man, auf dem Rücken liegend, Wolken in den digitalen Himmel.

Man läuft an einer trommelnden Roboterinstallation vorbei. Entdeckt im Dachgeschoß des Kulturquartiers Babypuppen mit brutal anmutenden Verbesserungsvorschlägen, wie einer zur Stromlinienförmigkeit verformten Nase. Man studiert mit Staunen eine lange Liste jener Firmen, die sich auf den Cayman-Inseln vor Steuern verstecken. Hier trifft sich Ingenieurshumor, "Big Bang Theory" und verspielte Gesellschaftskritik.

Da denkt sich manch einer "Na, und?", und versäumt das Entscheidende: Jede Idee kann wertvoll sein, und sei sie noch so klein. Bei der Ars Electronica geht es nicht um das Einzelwerk, sondern um die Gehirngymnastik, die im Idealfall in Inspiration mündet. Dafür könnte jedes Thema anregend sein, und sei es noch so breit: "C... what it takes to change" war das heurige Motto. Was notwendig für Veränderung ist, wird gefragt, und da passt wahrlich alles rein. Junge Querdenker, die über Veränderung reden, etwa. Oder auch eine vielteilige, über das heute endende Festival verteilte Musiktheaterinstallation ("Buddha On The Beach").

Ebenso eine Schule, in der man – im schon fast vergessenen Turnsaalgeruch – selbst fleißig an verschiedenen Utopien mitbasteln kann. Oder auch versteckte Kunst-Installationen in Geschäften.

Kürzung

Auch das Thema war, Festivalchef Gerfried Stocker sagt es ganz offen, ein wenig aus der Finanz-Not heraus geboren: Da passen nämlich auch semikommerzielle Präsentationen hinein, die für das Festival kostenschonend zu bekommen waren. Das ist auch nötig: 20 Prozent weniger als noch vor drei Jahren bekommt man an Subvention.

Heuer hat man sich, mit einem verspielten, andersartigen Festival elegant über diese Finanzlücke gerettet: Es war viel zu entdecken in der Linzer Innenstadt; und durch die Verlegung an andere Orte war ein direkter Vergleich mit den vergangenen Festivals kaum möglich.

Ein noch versteckter Schrumpfungsprozess. Wie es aber mit der Ars Electronica mit dieser finanziellen Ausstattung auf Dauer weitergehen soll, ist eine offene Frage. So sehr heuer die Notwendigkeit von Veränderung, von "Change" beschworen wurde: Das Kürzen von Kultursubvention ist jedenfalls eine Veränderung zum Schlechten.

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