Ars Electronica: Kunst muss die Welt reparieren

Ein Industrieroboter bearbeitet eine Skulptur aus Styropor.
Weil Politik, Wirtschaft und das Silicon Valley es nicht geschafft haben. Ars Electronica-Chef Gerfried Stocker im KURIER-Interview.

Der Widerstand gegen Veränderung grenzt gerade in Österreich an Masochismus. Veränderung ist etwas, das man unter allen Umständen zu vermeiden versucht, auch wenn sie dringend notwendig wäre." Es ist ein scharfes Resümee, das der Chef des Linzer Medienkunstfestivals Ars Electronica, Gerfried Stocker, im KURIER-Gespräch zieht. Dazu kommt, dass andererseits die Veränderung jeden Tag beschworen wird – in den "Worthülsen" von Politik und Werbung.

Ein Mann mit Brille gestikuliert vor einem Mikrofon.
Honorarfrei im Ars-Kontext
"Wir haben den Eindruck, dass wir in einer sich unheimlich rasant verändernden Welt leben", sagt Stocker. "Das Waschmittel ist ,noch besser‘. Alle halben Jahre gibt es eine neue Handygeneration, die absolut nichts verbessert, sondern nur zusätzliche Spielereien liefert. Veränderung wird vorgetäuscht. Bis hin zu den Politikern. Wenn wir uns für das neue entschieden haben, kommen wir drauf, dass es die gleiche Geschichte ist. Da entsteht sehr große Frustration."

Entzauberung

Eine weitere Ernüchterung betrifft die technologische Innovation: "Wir haben uns vom Silicon Valley eine große gesellschaftliche Vision versprechen lassen, das globale Dorf, ein Mehr an Demokratie. Jetzt ist deutlich zu sehen, dass die sich genauso gewinnorientiert verhalten wie die Autokonzerne und die Chemiekonzerne. Selbst für Technikenthusiasten funktioniert es nicht mehr, zu glauben, dass die Technik die Probleme lösen wird."

Deshalb macht sich die Ars Electronica heuer auf die Suche nach den Menschen, Ideen und Voraussetzungen, die für echte Veränderung notwendig wären. Und schon vor Beginn des Festivals (4. bis 8. September) steht fest: Es sind an allererster Stelle jene Menschen, die "mit großer Begeisterung und Kreativität Veränderung vorantreiben", und das sind die Künstler und Kreativen.

Die waren zuletzt als Zubringer für die Kommunikations- und Computerfirmen gefragt – zur "Verschönerung der Produkte". Zunehmend aber werden sie herangezogen, wenn es um Fragen geht, die die Gesellschaft verändern, meint Stocker: "Wir bekommen Anfragen aus der Industrie, von EU-Institutionen, aus Asien, etwa von einer riesigen Werbeagentur. Es sind Leute und Unternehmen, die wissen, dass es so nicht weitergeht, aber die gleichzeitig auch wissen, dass sie keine Antwort haben."

Für die Ars Electronica schließt sich ein Kreis: Die Verbindung von Kunst, Gesellschaft und Innovation war Grundgedanke bei der Gründung des Festivals vor mehr als drei Jahrzehnten. "Wir sind inzwischen auch auf verschiedenen Hypes mitgeschwommen", sagt Stocker. "Die Phase der Technik-Euphorie haben wir hinter uns. Jetzt beschreiben wir eine Position der Kunst in der Gesellschaft, wo die Kunst nicht zum Diener oder Lieferanten wird. Sondern wo sie als Katalysator wirken kann."Die Positionsbestimmung ist auch für die Kunst wichtig. Denn die Zeiten sind schwieriger geworden – auch bei der Ars Electronica. "Wir haben in den letzten drei Jahren in Summe eine Reduktion von 20 Prozent unserer öffentlichen Zuwendungen für das Festival hinnehmen müssen", sagt Stocker. Daher ist das Festival heuer so stark wie nie zuvor eine "Marktplattform": Man hat gefragt, wer bereit ist, sich auf eigene Kosten präsentieren zu wollen, und dann ausgewählt. "Wir hatten den Luxus, die kommerziell orientierten Präsentationsinteressen ablehnen zu können", betont Stocker. Denn schon früher wurde die Ars Electronica wegen ihrer Nähe zur Wirtschaft kritisiert. Aber: "Der Erfolg, mit dem wir heuer das Festival umsetzen, kann auch falsche Signale setzen. Wir schaffen das höchstens zwei, drei Jahre. Aber so wirklich setzt sich in der Politik keiner mit den Realitäten eines Kulturfestivals auseinander. Die beschäftigen sich nur damit, wenn sie wieder bei der Subvention kürzen."

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