Zwischen Pornografie und Poesie

Eine Frau mit offenem Haar und einer floralen Jacke vor dunklem Hintergrund.
Die Foto-Provokateure Juergen Teller und Nobuyoshi Araki treffen in einer Ausstellung aufeinander.

Schamlos abgelichtete Körper; prominent inszenierte Genitalien; eine dreiste Verweigerung konventioneller Schönheitsvorstellungen – der Tabubruch ist zweifellos der Aspekt, der bei der aktuellen Ausstellung in der Wiener Fotogalerie OstLicht zuallererst ins Auge fällt.

Mit Nobuyoshi Araki und Juergen Teller hat OstLicht-Chef Peter Coeln zwei Fotografen nach Wien geholt, die in ihren Arbeiten die Grenzen des guten Geschmacks ausloten oder sie auf selbstbewusst naive Weise neu definieren. Als Kurator fungiert Gerald Matt, der mit der Thematik ebenfalls vertraut ist: Schon während seiner Zeit als Direktor der Kunsthalle Wien holte er mit der Schau "The Porn Identity" (2009) Ausstellungsstücke von disputabler Salonfähigkeit auf die institutionelle Bühne, um die Abgrenzung der Kunst gegenüber der Pornografie zu thematisieren.

Impressionen der Ausstellung

Eine Frau hält eine kleine Echse in ihren Händen.

Ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Porträt eines jungen Mädchens steht auf einem Holzboden.

Eine Puppe mit einem Mantel hängt an einem dunklen Haarstrang.

Ein dramatischer Himmel voller Wolken über einer Stadtsilhouette.

Eine Frau liegt mit einem Bartagamen auf einem Bett.

Eine Person steht an einer Straße in Japan und blickt auf ihr Handy.

Ein Wohngebiet mit einem VW Golf Cabriolet im Vordergrund.

Eine beschädigte Schaufensterpuppe, eine Puppe im Kleid und eine Echse vor einem dunklen Hintergrund.

Eine Frau blickt in einem Raum mit schwebenden Regentropfen nach oben.

Ein Junge mit Wikingerhelm „ersticht“ einen Mann mit einem Spielzeugschwert im Badezimmer.

Eine Frau mit einem Ohrring, der das Wort „Sex“ buchstabiert.

Eine Helmut Lang-Werbung mit zwei Frauen, fotografiert von Juergen Teller.

Drei Frauen in modischen Mänteln stehen vor einer Wand mit Blumenmalereien.

Ein junges Mädchen hält einen kleinen, weißen Hund im Arm.

Zwei Frauen stehen nackt in einem Raum mit Statuen auf einem Schachbrettmusterboden.

Eine Frau in einem weißen Kleid treibt im dunklen Wasser.

Drei Männer sitzen barfuß in einem dekadenten Raum mit einem Gemälde und einer Buddha-Statue.

Zwei Personen mit blonden Haaren und auffälligem Make-up posieren für ein Foto.

Ein Mann posiert in Unterwäsche und Socken vor einem Wald und einem See.

Porträt einer älteren Frau mit strahlend blauen Augen und einem braunen Strickpullover.

Eine Collage mit einem älteren Mann, Quitten, einer Frau am Strand und einer Frau vor einem Kamin.

Eine Frau im Kimono singt in einem Lokal, während ein Mann mit Sonnenbrille und Bier zuhört.

Grenzwertig

Angesichts von Schamlippen und Dildopilzen muss gesagt werden: Eine solche Grenze gibt es! Doch wer sich nicht abschrecken lässt, erkennt, dass sich auch in ungewohnter Ästhetik interessante Geschichten erzählen lassen. An den Galeriewänden entsteht ein Dialog zwischen zwei alten Freunden – Araki und Teller kennen einander seit fast 25 Jahren – der mehr als alles andere von den Künstlern selbst handelt.

Der eine – Araki – erzählt nur in Schwarz-Weiß und zeigt Werke seiner Serien "Last by Leica", "Paradise" und "Someone’s Wife". Seine Bilder sind Blumenstillleben mit Spielzeugmonstern und abgetrennten Puppenköpfen als moderne Vanitassymbole. Melancholische Aufnahmen asiatischer Häuserlandschaften. Sexuell aufgeladene weibliche Akte in Innenräumen, die eine voyeuristisch-faszinierte Sicht auf die Frau als ein in Wahrheit unkennbares, fast groteskes Wesen widerspiegeln.

Schrill, aber auch still

Der andere – Teller – erzählt in Farbe und präsentiert zwei neuere Serien: "Woo!" dokumentiert seine Ausstellung im ICA London 2013 und zeigt in typisch grober und teils heillos verpixelter Fasson großformatige Abbilder der mit Teller-Fotos volltapezierten Galeriewände.

Den bunten, autobiografischen Fotos, die öffentliche Sichtbarkeit des auch als Modefotografen bekannten Teller selbst zum Spektakel machen, steht die zurückhaltendere Serie "Irene im Wald" gegenüber. Formell wie inhaltlich überraschend sind die in der Nähe von Tellers Elternhauses in Franken entstandenen Bilder, die – um persönliche Anekdoten ergänzt – zu einem intimen Familienporträt werden.

Ungleiches Paar

Teller und Araki sind ein ungleiches Paar. Die Schau enthüllt die unter einer oberflächlichen Ähnlichkeit verborgenen Unterschiede – und dann wiederum eine tiefer liegende Gemeinsamkeit. Beide, erzählt Kurator Matt, zeichnen sich durch einen "unstillbaren Hunger nach Bildern" aus. Vielleicht ist es gerade dieser Abgrund, der sich nur durch einen Exzess an Leben füllen lässt, der auch in den Bildern spürbar ist.

Teller/Araki: Zwei Foto-Superstars

Die Ausstellung

"Araki Teller Teller Araki" ist bis 25.5. in der Galerie Ostlicht in der ehemaligen Ankerbrot-Fabrik zu sehen (Absberggasse 27, 1100 Wien, geöffnet Mittwoch bis Sonntag 12 – 18 Uhr). www.ostlicht.at

Das Buch

Anlässlich der Ausstellung erscheint ein von Teller und Araki gemeinsam erarbeitetes Künstlerbuch: 408 Seiten, 300 teils bisher unveröffentlichte Fotos; eyesencia Verlag, 85 Euro, erhältlich in der Galerie.

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