Apokalypse im Seerosenteich mit Kirsten Dunst

Apokalypse im Seerosenteich mit Kirsten Dunst
Filmstarts: Lars von Trier Weltuntergangs-Drama "Melancholia" + Leander Haußmann trifft auf Bully Herbig in "Hotel Lux" + Spielbergs "Tim und Struppi"

Als wäre es eine Wagner-Oper, hebt das Präludium mächtig an: Vögel fallen tot vom Himmel. Eine schöne Frau im weißen Hochzeitskleid treibt nixengleich und mit Maiglöckchen in Händen im seerosenreichen Teich. Eine verzweifelte Mutter läuft in Zeitlupe den Fußstapfen ihres Kindes nach. Ein schwarzes Pferd fällt mächtig um.
Machen wir es kurz: Die Erde geht unter. In bombastischen, apokalyptischen Albtraumbildern, denen man sich nicht entziehen kann. Auch wenn sie schrecklich gelackt sind.

Lars von Trier, dänischer Ausnahmeregisseur, will es offenbar so. Er ist schließlich immer schon ein Bildmächtiger gewesen, ein Pathosbeauftragter, ein Spekulant der Emotionen. Er will, dass wir ihm auf den Leim gehen - und wir tun das auch. In seinem neuen Werk hat er seine schon länger veröffentlichten Depressionen gleich zu einem ganzen Planeten namens "Melancholia" aufgeblasen. Das Gestirn der Traurigkeit darf dann die Erde rammen und von Trier sich dabei des Genres des Weltuntergangskinos bedienen, das hier keine Gnade kennt. Schon mit dem Anfang ist klar: Am Ende wird die Welt untergehen. Dazwischen ist es dennoch spannend, fängt der zweigeteilte Film sogar mit einer witzigen Szene (der einzigen im Film) an. Braut und Bräutigam sitzen in einer weißen Stretch-Limousine, die nicht und nicht nicht um die enge Kurve kommen will. Der Chauffeur versucht's, der Bräutigam (Alexander Skarsgård, Vampir aus "True Blood") auch, die Braut ebenso. Alle scheitern und haben es doch lustig. So wird's, soviel steht fest, nie mehr werden.
Schon wenig später wird es dämmerig werden, der Gesellschaft der Spaß vergehen, die Hochzeitsfeier (man denkt an Vinterbergs "Das Fest") aus den Fugen geraten. Die Braut leidet an einer Depression: Weshalb sie sich während des
Hochzeitsfestes lieber in die Badewanne legt; ihren Bräutigam mit einer Erektion im Zimmer sitzen lässt und einen bis dahin unbekannten Jüngling auf der Wiese begattet.

Nazi-Sager

Kirsten Dunst spielt diese bis zur Selbstentblößung. Wie in vielen seiner Filme ist es auch hier eine Frau, die von Triers "Alter Ego" sein darf. Bei der Uraufführung in Cannes wurde Dunst dafür als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Bei jenem Festival übrigens, von dem von Trier wegen seines "Nazi-Sagers" verbannt worden war. Für ihn, den Berufsprovokateur, zweifellos kein Weltuntergang. Den beschwört er ja lieber im Kino.

Teil zwei des Films widmet sich dann der Schwester der Depressiven (Charlotte Gainsbourg), die (mit ihrem reichen Mann) das Hochzeitsfest organisiert hat. Sie ist es jetzt auch, die die traurige Kranke pflegt: Wenn diese nicht essen kann, nicht sprechen, nicht gehen, nicht baden. Den Ehemann spielt im Übrigen ein (grandioser) Kiefer Sutherland, der aber wie alle anderen Figuren hier immer nur skizziert bleibt; nie zur richtigen Figur, zum ganzen Menschen wird. Manchmal versteht man diese Figuren, manchmal nicht. Manchmal treffen sie einen Punkt, manchmal nicht. Bis zur Unerträglichkeit strapaziert Lars von Trier im zweiten, um sich selbst kreisenden Teil das Gefühl des Stillstands, der Leere und Ausweglosigkeit, wie ihn wohl nur Depressive kennen. Und die einzige Hoffnung, die bleibt, ist Sterben in Würde. - Veronika Franz

KURIER-Wertung: ***** von *****

INFO: USA 2011. 130 Min. Von Lars van Trier. Mit Kirsten Dunst.

"Hotel Lux " - Hitlers Astrologe schaut in Stalins Sterne

Leander Haußmann (intellektueller Theatermann aus der ehemaligen DDR) trifft auf Bully Herbig (Populärkomiker aus Bayern): Das ist Brutalität. Meint man zumindest, bevor man den Film gesehen hat. Danach ist man gescheiter. Danach hat man Bully Herbig hervorragend in seiner ersten Charakterrolle gesehen: als Berliner Komiker, der in den 30er-Jahren auf der Flucht vor dem NS-Regime nach Hollywood will und in Moskau landet, wo er mit dem Leibastrologen Hitlers verwechselt wird und für Stalin in die Sterne schauen muss. Man hat außerdem erfahren, was das "Hotel Lux" war: Ein Ort, an dem deutsche Exilanten wohnten, viele davon wurden trotz ihres Bekenntnisses zum Kommunismus verhört und von den Stalinisten umgebracht.

Regisseur Leander Haußmann hat nach einer Idee von Helmut Dietl einen "historisch korrekt erfundenen Film" inszeniert. Der treibt mit dem Entsetzen Schabernack und unterhält lustig und ernsthaft und vor allem intelligent (wie schon sein "Sonnenallee"). Am Ende hängt die Staatsmacht an einem Barthaar und ist eine einzige Maskerade. - V. Franz

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: D 2011. Von Leander Haußmann. Mit Bully Herbig, Jürgen Vogel.

"Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn"

Nun muss es einmal technisch werden: Man nehme einen Schauspieler, scanne ihn und übertrage seine Bewegungen auf eine virtuelle Figur im Computer: "Motion Capture", nennt sich diese neue Technik, deren größter Fan Robert Zemeckis ("Der Polarexpress") ist. Steven Spielberg hat nun damit die Hergé-Comics "Tim und Struppi" verfilmt. Und das ist gewöhnungsbedürftig: Tim sieht (wie alle übrigen Menschen hier) recht unheimlich aus; bewegt sich zwischen Lebendem und Totem. Struppi immerhin ist einfach Struppi. Steven Spielbergs Abenteuerspektakel braucht länger, um in Fahrt zu kommen und steht dann ganz in der Tradition von "Indiana Jones". Das Beste daran: Virtuos leichtfüßige Action in 3-D. - V.F.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: USA 2011. 120 Min. Von Steven Spielberg. Mit Jamie Bell.

"Killer Elite" - Söldnerfilm mit markigen Sprüchen

Kein Zweifel, Jason Statham macht jeden Gegner fertig. Da kann er noch so aussichtlos an einen Holzsessel gefesselt sein. Und ja, für diese Actionsequenz lohnt es sich auch, den Thriller anzuschauen. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. "Killer Elite" hat nichts, aber auch gar nichts mit Sam Peckinpahs "The Killer Elite" (1975) zu tun. Und nicht nur, weil der ein Wort mehr im Titel hat. Peckinpahs alter Film beruhte auf dem Thriller "No Monkey in the Middle", während sich der neue auf "The Feather Man" bezieht, ein englisches Sachbuch über Machenschaften eines britischen Geheimdienstes.

Es ist ein Söldnerfilm mit markigen Sprüchen und sprechenden Fäusten: "Töten ist einfach. Aber damit leben nicht." Während Robert de Niro einen nie endenden Cameo-Auftritt hinlegt, sind Jason Statham & Clive Owen Profi-Killer auf gegnerischen Seiten. Der Motion fehlt hier die Emotion : Da nützen auch Stathams Fantasien von einer strohabladenden Traumfrau in der Provinz nichts. - V.F.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: USA 2011. Von Gary McKendry. Mit Robert de Niro.

"Hot Spot" - Eine Chance für Langzeitarbeitslose

Schulden haben. Einen prügelnden Ehemann daheim. Ein paar Kinder. Eine miserable Ausbildung. Und dann kommt man vielleicht auch noch aus einem anderen Land. Beste Voraussetzungen, um langzeitarbeitslos zu sein. Ein Außenseiter der Gesellschaft. Abgeschrieben. Im von der Stadt Wien gesponserten Restaurant "Michl's" (benannt nach dem Godfather des Rathauses) bekommen die Außenseiter eine Chance. Ein halbes Jahr lang dürfen sie Profiköchen über die Schulter schauen und sich aneignen, was nötig ist, um sich wieder ins "normale" Arbeitsleben einzugliedern. Schneiden, reiben, braten und backen, dass es ihnen die Seele wärmt, und sie werden nach Dienstschluss noch von Sozialarbeitern betreut. Ob sie dann wirklich die Kurve zum normalen Leben kratzen, bleibt offen. Die nächsten Langzeitarbeitslosen warten schon vor der Tür. - S. Lintl

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: A 2011. 80 Min. Von Sabine Derflinger.

Skandalös: "Eine ganz heiße Nummer"

So was wie die Kino gewordenen Kammerspiele: Handwerklich bieder, aber gut gemachte Provinzposse um drei bayrische Frauen (u. a. Gisela Schneeberger), die Telefonsex zum Nebenerwerb machen. Im Kino nichts Neues, aber komisch.

KURIER-Wertung: *** von *****

Packender Psychothriller: "Geständnisse"

Tetsuya Nakashimas packender Psychothriller handelt von einer Lehrerin, die ihren Schülern die Schuld am Tod ihrer Tochter gibt und sich grausam rächt. War auf der Oscar-Shortlist. Nur im Wiener Topkino.

KURIER-Wertung: **** von *****

Kommentare