Anna Rieser beeindruckt mit einem Plädoyer gegen häusliche Gewalt

Sie bietet sich selbst als Opfer an: Anna Rieser
Laura N. Junghans inszenierte Suzie Millers Monolog „Prima Facie“ backend in der Volkstheater-Dunkelkammer

Von Susanne Zobl

Die erfolgreiche Strafverteidigerin Tessa Ensler verklagt ihren Liebhaber Julian wegen Vergewaltigung – und setzt ihre Karriere aufs Spiel. Die Berufserfahrung hat sie gelehrt, dass in so einem Fall niemand der Frau glauben würde, zumal sie selbst die Klage einer Betroffenen mit Verve abgeschmettert hat und Freispruch für den Angeklagten errungen hat. Umso härter, dass jetzt sie die Betroffene ist.

Suzie Millers Stück „Prima Facie“ („Bis auf Widerruf“) ließ viele umdenken, so die australische Autorin im KURIER-Interview. Es ist gegenwärtig in Linz (Kammerspiele) und in Wien zu sehen: In der Dunkelkammer des Volkstheaters setzte Laura N. Junghans das eindrückliche Plädoyer gegen häusliche Gewalt mit Anna Rieser schlüssig in Szene. Ein Tisch, ein Sessel, mehrere Flatscreens fungieren als Verhandlungssaal und Verhörraum (Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch).

Anna Rieser agiert erstklassig. Ihr Spiel mit Idiomen lässt aufhorchen. Erzählt sie von ihrer Mutter, einer Putzfrau, ist ein Wiener Touch zu hören. Wenn sie erklärt, wie Recht funktioniert, changiert sie virtuos zwischen einer eiskalten Anwältin und einer zutiefst verletzten Frau. Rieser wendet sich ans Publikum wie ein Anwalt an die Geschworenen. Sie bietet sich selbst als Opfer an, um bis zum Äußersten zu gehen. Literatur, die Anliegen vertritt, ist künstlerisch oft diskussionswürdig. Dank Rieser sind derlei Bedenken obsolet. Viele Bravos.

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