Angewandte-Rektorin: „Ich habe im Schatten von Buchenwald gearbeitet“
Keine Abschottung mehr: Rektorin Ulrike Kuch, Jahrgang 1979.
Die Universität für angewandte Kunst hatte mit massiven internen Problemen zu kämpfen. Mitte Jänner kam Rektorin Petra Schaper Rinkel einem Misstrauensantrag zuvor: Sie verkündete ihren Rücktritt nach nur 15 Monaten im Amt. Der deutschen Innovationsforscherin und vormaligen Vizerektorin der Uni Graz waren willkürliche Entscheidungen und fehlende Kommunikation vorgeworfen worden, man sprach von einem „Regime der Angst“.
Der Job wurde neu ausgeschrieben, Ende Juli wählte der Unirat Ulrike Kuch zur Rektorin. Die deutsche Architekturtheoretikerin, bis Mitte Oktober Vizepräsidentin für gesellschaftliche Transformation an der Bauhaus-Universität Weimar, trat ihr Amt am 1. November an. Und bereits am 11. November stellte sie sich der Presse. Es sei ein Wunsch des Senats, dass sie offener kommuniziere als ihre Vorgängerin. Es schien ihr (im Gegensatz zu Schaper Rinkel, die kein einziges Pressegespräch absolviert hatte) nicht schwerzufallen.
Bei ihrer Inauguration am 15. Jänner will Kuch auch ihr Team vorstellen. Fix ist nur, dass Maria Zettler, die interimistisch die Geschäfte geführt hatte, Vizerektorin für Infrastruktur und Ressourcenplanung bleibt. Die anderen drei Vizerektorate wurden ausgeschrieben, 24 Bewerbungen gingen ein. Generell geht es Kuch darum, die Wogen zu glätten. Sie nutze dabei ihren Status, von außen zu kommen: „Mein Grundansatz ist, alle Seiten zu hören.“
Ihre Aufgabe wird es auch sein, sich dem Antisemitismus-Problem zu stellen. Nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war es u. a. zu Kundgebungen und Filmvorführungen gekommen, die von jüdischen Studierenden und Teilen des Lehrkörpers als antisemitisch empfunden wurden. Sie habe, sagte Kuch, wahrgenommen, dass es an der Angewandten „eine Verunsicherung“ gebe, wie mit den Veränderungen in der Welt umzugehen sei. Wenn es antisemitische Vorfälle geben sollte, „werde ich ihnen vehement entgegentreten“, versicherte sie. „Ich komme aus Weimar. Ich habe im Schatten von Buchenwald gearbeitet.“ Dort befand sich eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden.
Stärkung der Demokratie
Für Kuch war die Berufung nach Wien „wie Erwachsenwerden“: Weimar sei „eine kleine, feine Universität“, die Angewandte biete „ganz andere Möglichkeiten“. Zentrales Thema werde die Frage sein: „Wie kann die Universität die Gesellschaft mitgestalten? Die Stärkung der Demokratie ist meine Mission. Ich glaube, dass die Angewandte einen Beitrag leisten kann für die Transformation zu einer offenen, resilienten Gesellschaft.“ Die Menschen auf der Uni seien zwar keine Politiker, ihre Werkzeuge die Kunst und die Forschung. Mit diesen könne man aber durchaus an den Herausforderungen der Gegenwart (z. B. Klimawandel) ansetzen. Aber auch die Angewandte steht zur Debatte. Denn viele Menschen würden nicht wissen, was in den Unis passiere. Daher: „Wie können wir deutlich machen, welche Relevanz staatliche wissenschaftliche Institutionen haben?“
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