Albertina: Die Schrecken des Krieges und die Waffe der Wahrheit

Albertina: Die Schrecken des Krieges und die Waffe der Wahrheit
„Keine Ausstellung, ein Statement“: Das Museum paart Goyas Radierungen mit Fotos von Mykhaylo Palinchak

Da ist sie wieder: Die Frage, was Kunst denn kann, speziell in Kriegszeiten.

Er hoffe, dass die „Kunstwerke Einfluss auf die Menschheit haben“: Das sagte Volodymyr Kolomiets, Erster Sekretär der Botschaft der Ukraine in Wien, beim Pressetermin zur Schau „Die Schrecken des Krieges – Goya und die Gegenwart“ , die die Albertina kurzfristig in ihr Programm gesetzt hatte (bis 21. August) – als Statement der Unterstützung, nicht als klassische Ausstellung, wie Museumsdirektor Klaus Albrecht Schröder betonte. Als „Warnung, den Krieg schnell zu beenden“ versteht Schröder die Bilder – bringe doch Krieg den Menschen immer das Schlimmste.

Der spanische Künstler Francisco de Goya hatte dies in seiner Serie von Radierungen mit dem Titel „Desastres de la Guerra“ von 1810 bis 1814 festgehalten, Anlass war der Spanien-Feldzug Napoleons (1808 – 1813) gewesen.

Albertina: Die Schrecken des Krieges und die Waffe der Wahrheit

Mit diesen Bildern sei „ein neuer Standard der Empfänglichkeit für Leid“ in die Kunst eingetreten, schrieb Susan Sontag in ihrem Essay „Das Leiden anderer betrachten“ (2003). Um dann genau auszuführen, was die „handgemachten“ Bilder Goyas, die erst 1863, lange nach dem Tod des Künstlers, publiziert wurden, von Kriegsfotografien unterscheidet.

So wurde der Wahrheitsgehalt, den man in der Fotografie (zumindest bis zu Photoshop) als gegeben voraussetzt, bei den Radierungen extra betont: „Das geschah so“, ist etwa unter einer Plünderungsszene in der Albertina-Ausstellung zu lesen.

Tatsächlich war Goya kein Dokumentarist, seine Bilder, so Sontag, sind Synthesen verschiedener Begebenheiten: „So etwas geschah so“, sagen sie, was den Wahrheitsgehalt aber nicht schmälert.

Albertina: Die Schrecken des Krieges und die Waffe der Wahrheit

Pflicht zur Zeugenschaft

Für den Fotografen Mykhaylo Palinchak, dessen Fotos nun im selben Raum wie Goyas Blätter hängen, ist es dagegen eine Verpflichtung, direkte Zeugenschaft mit der Kamera abzulegen: Von der „Wahrheit als einziger Waffe“ spricht der 1985 geborene Ukrainer, der früher poetische Straßen- und Alltagsszenen ablichtete und sich nun in der Rolle des Kriegsfotografen wiederfindet.

Wenngleich Palinchaks Fotos über Agenturen zirkulieren (sie waren u. a. am Cover des Falter zu sehen), ist vielen Aufnahmen eine Distanz zum schnellen Bildjournalismus anzumerken. Die Frage ist, ob die Schrecken des Krieges eine Differenzierung fotografischer Herangehensweisen überhaupt noch zulassen – oder der Zwang zur Zeugenschaft alles durcheinander mischt. Beim Versuch, auch visuell zu verstehen, kann die Kunst oft helfen. Doch sie kann es nicht sofort. Zu befürchten ist, dass wir an den Bildern des Krieges noch lange zu kiefeln haben werden.

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