Albertina: Murmeltier statt Dürer-Hase

Eine monochrome Darstellung einer epischen Schlacht mit Streitwagen und mythologischen Figuren.
Die Schau „Poussin bis David“ verdichtet die reichhaltige Sammlung französischer Zeichnungen

Das Nagetier ist in der Kiste: Es lugt unter dem offenen Deckel hervor, den eine junge Dame in einem Aquarell von Jean-Honoré Fragonard aus den 1780er-Jahren hält.
Dem (männlichen) Betrachter fallen zuerst wohl eher die roten Wangen, der tiefe Ausschnitt und der kokette Blick der Dame auf: Das Bild signalisiert die sexuelle Verfügbarkeit der Frau, es steht in einer Tradition, die man in Wien etwa von Wäschermädel-Darstellungen kennt. In Frankreich waren die Pendants zu den „Wiener Typen“ Menschen aus Savoyen, die mit Murmeltieren in die Städte tingelten und dort - wohl nicht nur – Lieder und Kunststücke darboten.

Frankreich im Schatten

Die Schau „Poussin bis David“ in der Albertina (bis 25. 4.) ist in mehrfacher Hinsicht ein kultureller Crash-Kurs: Französische Kultur- und Kunstgeschichte wird abseits frankophiler Kreise hierzulande nicht übermäßig gepflegt, auch vom Museumsbetrieb nicht. Die vorliegende Schau ist verwunderlicherweise die erste dezidierte Präsentation der französischen Zeichnungssammlung der Albertina, die mit 2800 Blättern als größte ihrer Art außerhalb Frankreichs gilt.

Ein Porträt eines Mannes mit lockiger Perücke, der sich an einem Schwert abstützt.
Titel tba - Frz Zeichnungen des 17 Jhs
Die kluge Auswahl von 67 Blättern bricht diese Masse auf ein konsumierbares Maß herunter und bewerkstelligt dabei, auch eine historische Epoche im Überblick zu zeigen: Es geht um das 17. und 18. Jahrhundert, eine Zeit, in der Frankreich sich unter Ludwig XIII. und „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. zum Zentrum höfischer Kultur und Repräsentation entwickelte.

Die Zeichnungen, die größtenteils unter Sammlungsgründer Albert von Sachsen-Teschen – einem Schwager der Königin Marie Antoinette – zusammengetragen wurden, spiegeln die Vorlieben dieser Gesellschaft und bringen zugleich die Eigenheiten und Lehrer-Schüler-Beziehungen ihrer Hofmaler, Porträtisten und Palast-Ausstatter näher.

Luxus-Picknick

Eine Sepia-Zeichnung einer Landschaft mit einem Fluss und einer Burgruine im Hintergrund.
Titel tba - Frz Zeichnungen des 17 Jhs
Dabei waren es nicht nur Darstellungen fantastischer Ruinenlandschaften und erotisch aufgeladener Luxus-Picknicks, so genannter „fêtes galantes“, die dem Geschmack der Zeit entsprachen: In der Schau finden sich auch überraschend unglamouröse Darstellungen von Landschaften und Menschen, die aber durch die schiere Qualität der Blätter, oft in der Kombination verschiedener Techniken, beeindrucken. Sehenswert.

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