Albertina: Luftige Blätter, die schwer wiegen

Eine Aufführung mit mehreren Tänzerinnen wird von einem Mann im Zylinder beobachtet.
Der Impressionismus gab Werken auf Papier mehr Gewicht, als man lange dachte. Die Schau ist keine leichte Kost.

Der Kontrast könnte nicht stärker sein: Als sich die Albertina 2009/’10 zuletzt mit dem Impressionismus beschäftigte, wehten auf den Bildern Wäschestücke und Baumwipfel in kräftigen Ölfarben, und passend zum Thema ("Wie das Licht auf die Leinwand kam") wurde überall pädagogische Erhellung geboten: Man erfuhr von impressionistischen Techniken, Materialien, Entwicklungen.

In der neuen Albertina-Ausstellung "Impressionismus – Pastelle Aquarelle Zeichnungen", laut Direktor Klaus Albrecht Schröder als zweiter Teil eines Zyklus gedacht, ist die Helligkeit schon aufgrund der sensiblen Materialien stark reduziert: Rund 200 Pastelle, Aquarelle und Zeichnungen füllen das unterste Geschoß und die Pfeilerhalle des Museums. Laut Organisatoren ist es die erste internationale Schau, die sich ausschließlich den Papier-Werken der Impressionisten und Postimpressionisten widmet.

Erdrückt

Tatsächlich sind es mehrere kleine Ausstellungen, die alle hochinteressante Werke zutage fördern, aber einem enzyklopädischen Anspruch ausgesetzt sind, der die Kunst und die Besucher letztlich erdrückt.

Kurator Christopher Lloyd hat die Werke gemeinsam mit seiner Kollegin Christine Ekelhart im Wesentlichen nach Personen gruppiert – es gibt einen Saal zu Manet, zu Renoir, zu Seurat, Signac und Gauguin. Nur das papierene Oeuvre von Edgar Degas ist so umfangreich, dass thematische Zwischenebenen (z. B. "Pferderennen", "Ballett") nötig werden.

Lloyd, der lange die Gemäldesammlung der britischen Königin betreute, ist auch als Ausstellungsmacher mehr Schatzmeister als Vermittler. Zweifellos wählte er Preziosen aus – Henri de Toulouse-Lautrecs zwischen Einfühlung und Karikatur balancierendes Blatt "Frau beim Anziehen eines Strumpfes" (1894) oder die mit der Abstraktion liebäugelnden, schwarzgrauen Dachlandschaften eines Georges Seurat etwa sind famos.

Doch viele Arbeiten wirken auch unnötig und weit hergeholt, und es fehlen Anhaltspunkte und Angebote, Werke durch verschiedene Linsen zu sehen: Die Wandtexte, die sich häufig in stilistischen Anmerkungen erschöpfen, leiten das Auge kaum an, erhellende Bildkombinationen sind selten.

Dass Papier für die Impressionisten wichtig war, wird primär durch die Menge der Arbeiten klar. Warum einige Werke in den Kanon eingingen und andere nicht, was die Blätter ihren Sammlern bedeuteten, die sie oft wie Gemälde in Prunkrahmen pressten – das sind Fragen für künftige Impressionismus-Ausstellungen. Und nach diesen herrscht ja bekanntlich immer Nachfrage.

Impressionismus: Bis 13. Mai, Albertina

Die Ausstellung: "Impressionismus – Pastelle Aquarelle Zeichnungen" entstand in Zusammenarbeit der Albertina mit dem Milwaukee Art Museum. Bis 13. 5. sind rund 200 Werke, u. a. von Monet, Renoir, Degas, Toulouse-Lautrec zu sehen. www.albertina.at

Katalog: Hg. von Klaus Albrecht Schröder und Christine Ekelhart, DuMont Verlag, 29 €.

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