Bildersturm zu Verdi und Wagner

Ein Tänzer hält eine Tänzerin in rotem Kleid über seinem Kopf, während andere Tänzer rote Hände in die Luft strecken.
Kritik: Österreich-Premiere von Alain Platels „C(h)œurs“ im Festspielhaus St. Pölten

Alain Platels „C(h)œurs“ ist ein außergewöhnlicher Beitrag zum Gedenkjahr der 200. Geburtstage von Verdi und Wagner 2013. Er verbindet völlig unterschiedliche Musik mit zeitgenössischer Musikdramaturgie. Zu sehen war die international viel beachtete, 2012 am Teatro Real Madrid uraufgeführte Produktion bei einem einmaligen Gastspiel am Samstag im Festspielhaus St. Pölten.

„Grün und weiß im Gesicht“ sei Marc Piollet, Dirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich gewesen, als er von der wilden Musikzusammenstellung des belgischen Choreografen erfuhr. Damit steht er nicht allein. Gewagt scheint der Mix von Chören und Vorspielen von Verdis „Messa da Requiem“ über „La Traviata“ mit dem Pilgerchor aus Wagners „Tannhäuser“ und „Die Meistersinger von Nürnberg“.

Doch Platels Ansatz ist keine Analyse der Kompositionen und kein Kommentar zur Opernregie. Auf Anregung Gerard Mortiers setzte er sich zunächst mit Chören Verdis auseinander, später kam Wagner dazu.

Aufbegehren

Die Gefühle, die er beim Hören empfand, waren Ausgangspunkt für eine Choreografie. Platel entwickelte daraus eine Dramaturgie der Gefühle, die inhaltliche Komponenten der Texte als auch Details aus den Biografien der Komponisten und der Rezeptionsgeschichte aufgreift. Im Mittelpunkt steht die Revolution, das Aufbegehren gegen die Mächtigen, die Rolle des Individuums in der Masse.

Mit Sinn für Theatralik baut Platel Intermezzi mit Musik von Steven Prengels bis zur Akustik-Kulisse aus dem Fußballstadion ein, durchbrochen von Texten aus Werken von Marguerite Duras. Vom 19. Jahrhundert führt der Weg direkt in die Gegenwart.

Die zehn TänzerInnen von les ballets C de la B zeigen eine choreografische Bandbreite von der Deformation des Menschen über Angst, dargestellt mit einem Zittern, das durch jeden Muskel fährt, starker Mimik, Gesten und Bewegungen, die an den Ausdruckstanz der 20er-und 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts anknüpfen.

Großartig mischt sich der Chor des Teatro Real Madrid mit den Performern. Die Kraft der Musik spiegelt sich in einer Massenbewegung wider, wie beim Arabischen Frühling bis zu Occupy Wall Street.

KURIER-Wertung:

Eine Gruppe von Menschen, darunter Kinder, hält Schilder mit Aufschriften wie „Revoluciones“ und „Hijos“.
Eine Theaterinszenierung mit einer Gruppe von Menschen, die rote Farbe auf ihren Händen haben.
Ein Mann und eine Frau in roter Kleidung führen eine ausdrucksstarke Tanzperformance auf.
Platel
Mehrere Tänzer führen eine anspruchsvolle Choreografie auf einer Bühne auf.
Platel

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