Der Ausstellung ging nicht bloß das buchstäbliche Abstauben (und Restaurieren) alter Ritterrüstungen voran: Sowohl in der kuratorischen Aufbereitung als auch im begleitenden Katalog ist der aufrichtige Wille zu erkennen, einen zeitgemäßen Blick auf das populäre, meist aber altbacken aufbereitete Feld von Rüstungen, Rittern und Turnieren zu werfen.
Unsere Vorstellungen dazu seien eher von romantischen Geschichten des 19. Jahrhunderts und von Serien wie „Game of Thrones“ geformt worden, sagt Sammlungsleiter und Kurator Stefan Krause: Es gelte, die Originale aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die sich in der KHM-Sammlung in einmaliger Vielfalt erhalten haben, wieder genau anzusehen.
Das gelingt mit einer eleganten Ausstellungsarchitektur (Blaich & Delugan Architekten) und einer eigenen, auf Kinder abgestimmten Didaktikschiene. Sie wirft Aufmerksamkeit auf Fragen abseits von Krieg und Rittermythos. Da wird etwa die Funktion erläutert, die so genannte Harnische für (meist adelige Männer) der Renaissance erfüllten: Schon kleine Buben erhielten solche angepasst, um den Führungsanspruch für die nächste Generation nach außen zu tragen. Der erwachsene Fürst führte diesen mit üppig geschmückten Rüstungen auf Festen und Umzügen vor. So genannte „Funeralhelme“, ursprünglich an Grabmälern oder Gedenksteinen in Kirchen angebracht, signalisierten Ritterlichkeit auch nach dem Tod.
Rüstungen und Verzierungen fungierten wie „Logos“ für den Fürsten, wie ein Kinderwandtext pointiert formuliert. Man kann nicht umhin, an einen Energydrinkhersteller zu denken, der seine Wappentiere wohl auch an die Turnierrüstungen von Renaissance-Athleten gehämmert hätte, wäre sein Produkt damals schon erfunden gewesen: Der sportliche (und laut Kurator Krause selten blutig-tödliche) Lanzen-Wettkampf und das umgebende Zeremoniell ist ein weiterer Fokuspunkt der Schau. Mit handwerklich exquisiten Exponaten, aber auch mit Videos, die die relativ hohe Bewegungsfreiheit der Rüstung demonstrieren, gelingt es zu zeigen, dass Funktion und Repräsentation bei Harnischen Hand in Hand gingen.
Dass bei aller kulturellen Überformung eine kriegerische Gesellschaft hinter dem höfischen Ritter-Kult stand und Frauen dabei primär eine huldigende und schmückende Funktion zukam, verhehlt die Schau nicht. Doch sie ist explizit darum bemüht, ein differenziertes Bild zu zeichnen und auf Bruchlinien des Männlichkeitskults hinzuweisen. Dies gelingt besonders in jenem Abschnitt, der der Rüstung als Modephänomen gewidmet ist: Im Nebeneinander von Objekten, Zeichnungen und Gemälden wird hier deutlich, dass Rüstungs-Ideale (wie ein gestärkter Torso oder Bauch) die textile Mode beider Geschlechter inspirierten. Umgekehrt legte man die faltenreiche Tracht der „Landsknechte“ etwa in ein unglaublich detailverliebtes Stahlkostüm um.
Eine explizit für eine Frau angepasste Rüstung findet sich in der Schau nicht – dass Frauen selbst Rüstungen trugen, ist aber in vielen Geschichten (allen voran jener der Jungfrau von Orleans) überliefert. Ebenso das „Crossdressing“ von Männern, die bei Turnierfesten in Frauenkleidern auftraten.
Die Genderthematik, die im Katalog noch stärker ausgebreitet wird, ist ein lohnender zeitgemäßer Zugang – das Echo der Rüstungen in der Popkultur, den der dem Marvel-Universum entlehnte Ausstellungstitel „Iron Men“ nahelegt, würde allerdings noch eine weitere Ausstellung tragen. Moderne Harnische, von Darth Vaders und Tony Starks Anzug bis zu den „Skins“ des Computerspiels „Fortnite“ seien aber als Leihgaben kaum zu bekommen, erklärt Kurator Krause – die Entertainment-Konzerne würden mit Adleraugen über das Copyright ihrer Requisiten wachen und sich jede Sichtbarkeit teuer abkaufen lassen. Die Bestände des KHM - die hier noch mit exquisiten Leihgaben angereichert wurden - bieten demgegenüber fast unerschöpfliches Material. Mit entsprechender Aufbereitung ist es auch möglich, den Reichtum darin wieder zu sehen.
Kommentare