A Room of One’s Own - Von Virginia Woolf
"A Room of One’s Own" erschien 1929 im Londoner Verlag Hogarth Press, den Virginia Woolf selbst gegründet hatte. Erst 1978 wurde dieser grandiose Text über Frauen und Literatur in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Ein Zimmer für sich allein" zugänglich; heute lieferbar ist er, etwas schwammiger übersetzt, als "Ein eigenes Zimmer". War Woolf in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg bei uns nur Eingeweihten bekannt, änderte sich das schlagartig in den 1970er- und 80er-Jahren, als die erstarkende Frauenbewegung Woolfs Bücher entdeckte: Die 1882 in London geborene Autorin wurde als das erkannt, was sie war: eine visionäre Vordenkerin der Emanzipation und eine brillante Schriftstellerin.
Die 110 Seiten von "Ein eigenes Zimmer" sind faszinierende Prosa: eine ganz eigene Mischung aus Erzählung und Essay. Entstanden ist das Buch aus zwei Vorträgen, die Woolf an der Universität von Cambridge hielt und später erweiterte. Die Erzählstimme gehört nicht der Autorin, sondern einer fiktiven, schreibenden Frau: "Nennt mich Mary". Gleich zu Beginn nennt Mary die beiden grundsätzlichen Bedingungen für eigenständige weibliche Literatur: Geld und ein Zimmer für sich allein. Erst so könne von einer gleichberechtigten Ausgangssituation die Rede sein, erst dann könne überhaupt die Entscheidung "Kind oder Karriere" getroffen werden – ein Thema, das in Woolfs Text vielleicht zum ersten Mal überhaupt angesprochen wird. 1929 ist die Welt immerhin einen Schritt weiter als jene von Jane Austen oder der Schwestern Brontë: In England wurde 1882 Frauen eigener Besitz zugebilligt, 1919 das allgemeine Wahlrecht und die Selbstbestimmung des Berufs. Mary ist sich dieser Veränderung wohl bewusst, sie thematisiert ausdrücklich die freiere Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Von einer Gleichstellung sieht sie schreibende Frauen und Männer dennoch weit entfernt: Finanzielle und räumliche Enge drohe die Autorinnen weiterhin zu ersticken.

Brillant formuliert, intelligent und emotional eindrücklich spricht Mary über die kaum vorhandene Privatsphäre der Frauen oder die weiterhin bestehenden Verbote für Universitätsbibliotheken, über die kaum vorhandene Tradition der Frauenliteratur oder der weiblichen Sekundärliteratur, über die Frau als Gegenstand in der männlichen Literatur. Diese Punkte werden engagiert und voller Ironie abgehandelt. Beiläufig etwa fällt da der Satz "Es ist merkwürdig, welchen Unterschied ein Schwanz ausmacht." Zwar ist diese Anmerkung auf eine Katze bezogen, doch wusste die begeisterte Sigmund-Freud-Leserin Woolf genau, wovon sie sprach.
Am Schluss von "Ein eigenes Zimmer" erfindet sie Judith Shakespeare, eine geniale Schwester des berühmten Dichters, und zeichnet deren Leben: von der Theaterbühne ausgeschlossen, verspottet und verzweifelt. Ein zwar fiktives, aber stark berührendes Porträt. Ebenso aufwühlend wie zukunftsweisend sind Marys andere Forderungen. Jahrzehnte bevor diese Ideen umgesetzt wurden, verlangt sie: "Frauen sollten wie Frauen schreiben, nicht wie Männer."
Woolf selbst hatte sich 1929 ihre finanzielle Unabhängigkeit und ihr eigenes Zimmer bereits ererbt und erschrieben: Ihre drei großen Romane "Mrs. Dalloway" (1925), "Zum Leuchtturm" (1927) und "Orlando" (1928) waren bereits erfolgreich veröffentlicht. Auch "Ein eigenes Zimmer" fand in England sofort großes Echo. 1939 schürte der Zweite Weltkrieg ihre Ängste: Depressionen hatten sie immer wieder bedrängt. 1941 nahm sich Virginia Woolf, eine der zentralen Frauen der Emanzipation und Literaturgeschichte, das Leben.
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