64. Frankfurter Buchmesse eröffnet

Ein Mann mit traditioneller Maori-Gesichtsbemalung hält ein Baby, beide strecken die Zunge heraus.
Am Mittwoch öffnet die wichtigste Buchmesse der Welt ihre Tore. Im Vorfeld stand die digitale Umwälzung im Buchhandel im Mittelpunkt.

Getrieben von der digitalen Umwälzung blickt der deutsche Buchhandel vor Beginn der Frankfurter Buchmesse in eine ungewisse Zukunft. Von der Politik vermisst die Branche zugleich ein klares Bekenntnis zu den traditionellen Buchläden vor Ort. "Eine Bildungsnation braucht den stationären Buchhandel", forderte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, am Dienstag bei der Eröffnung der weltgrößten Bücherschau, die ab Mittwoch bis Sonntag rund 300.000 Besucher erwartet.

Honnefelder verwies auf das Beispiel Frankreichs. Die Regierung in Paris habe offen die Wettbewerbsvorteile der global agierenden Buchhandelsunternehmen mit Sitz im steuerbegünstigten Luxemburg angeprangert. "Solche klaren Worte wünschten wir uns in diesen Zeiten auch von den deutschen Politikern und Regierungsmitgliedern", sagte Honnefelder. In Luxemburg liege der Mehrwertsteuersatz für E-Books bei drei Prozent, in Deutschland bei 19 Prozent.

Neue Geschäftsmodelle

Eine Frau greift in einem Buchladen nach einem Buch in einem Regal voller Thriller.

Der weltweit wichtigste Branchentreff beginnt an diesem Mittwoch mit rund 7.300 Ausstellern aus mehr als 100 Ländern. Aus Österreich sind heuer 139 Verlage beteiligt. Zunächst steht die Messe nur Fachbesuchern offen, am Samstag und Sonntag sind dann Publikumstage. Während der Internet-Handel weiter wächst, meldet der traditionelle Einzelhandel für das laufende Jahr erneut ein Minus von knapp fünf Prozent. "Ich halte das für eine Zahl, über die man nachdenken muss", sagte Honnefelder auf einer Pressekonferenz. Er zeigte sich dennoch optimistisch für den stationären Handel. Bundesweit entstünden mit neuen Ideen neue Buchläden.

   Die Branche hofft auch auf die neuen elektronischen Bücher, deren Verkäufe sich zwar in diesem Jahr verdoppelt haben. Die E-Books machen aber weiterhin in Deutschland nur zwei Prozent des Umsatzes vom Gesamtmarkt aus, in den USA sind es inzwischen 20 Prozent. Der Börsenverein sieht die digitalen Medien, die im Mittelpunkt der Frankfurter Messe stehen, als Ergänzung der gedruckten Medien.

   Die Digitalisierung bringt nach Ansicht der Organisatoren der Buchmesse im globalen Maßstab ganz neue Geschäftsmodelle hervor. Große Verkäufer wie Amazon bringen eigene Lesegeräte heraus. Autoren werden übers Internet zu Verlegern, weltweit entstehen über neuartige Internet-Speicherplätze ("Cloud Computing") Leihbibliotheken. Es entstehen neue kulturelle Muster, wie Buchmesse-Direktor Juergen Boos am Dienstag sagte. Wichtig sei, dass künftig alle weiterhin Zugang zu den Inhalten hätten. Dies gelte vor allem auch für Kinder- und Jugendbücher, denen die Buchmesse dieses Jahr einen Schwerpunkt widmet.

   Mut machte der Branche am Dienstag eine Marktstudie der Beratungsgesellschaft PwC. Trotz rückläufiger Geschäfte im ersten Halbjahr erreiche der deutsche Buchmarkt im laufenden Jahr einen stabilen Umsatz von 9,6 Milliarden Euro. Der Umsatz bei elektronischen Büchern werde um über 260 Prozent auf 175 Millionen Euro wachsen. Der Umsatzanteil elektronischer Bücher an der Belletristik - dem wichtigsten Segment im Buchmarkt - wird laut dieser Prognose 2016 bereits bei 13 Prozent liegen.

Pavillon von Ehrengast Neuseeland unter Wasser

Eine Menschenmenge betrachtet Comic-Panels auf einer Ausstellung.

Die Naturgewalten haben den Buchmessen-Ehrengast Neuseeland fest im Griff. Im Gastland-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse ist es ziemlich dunkel. Oben funkeln die Sterne, unten spiegelt sich ein bleicher Mond. Das Architektenbüro Pattersons hat die Gastland-Halle unter Wasser gesetzt. Die Besucher müssen sich im Schummerlicht über Brücken und Stege ihren Weg zur Insel in der Mitte des Raums bahnen.

   Neuseeland ist nicht gerade eine Nation mit vielen bekannten Autoren und langer literarischer Tradition. Als "Meister im Geschichtenerzählen über alle Formatgrenzen hinweg" hatte Buchmessen-Direktor Juergen Boos die Neuseeländer angekündigt - und sie gaben sich alle Mühe, dieser Erwartung gerecht zu werden. Auf raumhohen Leinwänden in der Mitte der Halle werden Sterne zu Buchstaben und Buchstaben zu Zitaten. Buchseiten wehen auseinander und falten sich zu Städten. Aus Buchrücken werden Muster und aus den Mustern die bemalten Gesichter der Ureinwohner.

   Ein Schauspieler-Sänger-Tänzer watet während der etwa 20-minütigen Multimedia-Show dazu durch den Wassergraben, liegt lesend auf einem schwimmenden Bett, am Ende steht er halbnackt im prasselnden Regen. Matiu Ngaropo ist dieser Leser und Vorleser und er sagt schöne Sätze wie: "Du möchtest schlafen, aber hinter geschlossenen Augen sind Worte wie Ratten, die nicht ruhen."

   Das gedruckte Buch führt indes nur ein Nischendasein: Am Rand der Wasserfläche stehen kleine Zelte, in denen Bücher von der Decke baumeln. Hell und gemütlich sieht es dort aus, aber der Leser muss stehen, um darin zu blättern. Ok, das passt ins Konzept: "Lange bevor es Bücher gab, gab es Geschichten" ist ein weiterer Satz, den man in diesem Pavillon aufschnappen kann und er passt wie kein zweiter zu diesem Land, das eine lange Tradition mündlichen Erzählens hat und eine kurze des schriftlichen Publizierens.

   Maori-Künstler führten die ersten Gäste am Dienstag durch den Pavillon, sie sangen und sprachen in der Sprache der Ureinwohner, Tänzer stampften und schrien den Kriegstanz "Haka" - und machten allesamt ganz bewusst keine Anstalten, das alles zu übersetzen. Kein Problem, wenn keiner etwas verstehe, sagte der Maori-Erzähler Joe Harawira nach seinem Auftritt. "Just hear the spirit."

300 Veranstaltungen mit Neuseeland

Ein Mann mit traditionellen Gesichtstattoos streckt die Zunge heraus.
Die Frankfurter Buchmesse öffnet mit 7.300 Ausstellern aus mehr als 100 Ländern ihre Tore, darunter mit 139 Verlagen aus Österreich. Am Ende steht - nicht zuletzt dank medienwirksamer Auftritte wie dem von Arnold Schwarzenegger - ein kleines Plus von 0,6 Prozent auf 282.000 Besucher. Gastland 2012 ist Neuseeland (Bild). Ursula Krechel gewinnt den Deutschen Buchpreis für ihren im Salzburger Verlag Jung und Jung erschienenen Roman "Landgericht". Der 29-jährige Grazer Autor Clemens J. Setz schafft es bereits zum zweiten Mal auf die Shortlist.

Über 300 Veranstaltungen haben die Neuseeländer vor und während der Messe auf die Beine gestellt, 100 Künstler und 70 Autoren einfliegen lassen, darunter Anthony McCarten ("Ganz normale Helden"), Paula Morris ("Rangatira") und Emily Perkins ("Die Forrests"), die Krimi-Autoren Paul Cleave und Paddy Richardson oder die Maori-Autoren Alan Duff und Witi Ihimaera.

   "In den vergangenen Jahren wurden im Schnitt pro Jahr zehn neuseeländische Titel ins Deutsche übersetzt", berichtet der Präsident des neuseeländischen Verlegerverbandes, Kevin Chapman. "In diesem Jahr sind es bereits 83 Übersetzungen."

   Auf der Messe kann man Neuseeland nicht nur im Ehrengast-Pavillon erleben, sondern auch in Halle 8.0, wo sich 40 neuseeländische Verlage einen Gemeinschaftsstand teilen. Neuseeländische Küchenchefs kochen im "Forum" und im Gourmet-Bereich in Halle 3.1. Im Comic-Zentrum präsentieren sich Zeichner aus Neuseeland. Am Samstag treffen sich junge Menschen zum "Hobbit-Cosplay", einem Kostümfest, inspiriert von den in Neuseeland verfilmten Tolkien-Büchern.

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