Zwischen Fortschritt und Firewall
 
            
            Von Herta Scheidinger
Weltweit werden täglich rund 376 Milliarden E-Mails verschickt, das Datenvolumen wächst in rasantem Tempo. Pro Tag entstehen rund 2,5 Trillionen Bytes – eine Milliarde Terabyte digitaler Information. Österreich trägt dazu seinen Teil bei: Über zehn Millionen Terabyte werden jährlich erzeugt, rund acht Milliarden E-Mails täglich verschickt.
Diese Größenordnung verdeutlicht, wie tief die Digitalisierung bereits in Wirtschaft und Alltag eingreift. Damit wird klar: Wirtschaft braucht heute Vernetzung – vom globalen Datenverkehr bis zur regionalen Produktion. Ohne digitale Infrastruktur, Datensicherheit und intelligente Systeme ist Wettbewerbsfähigkeit kaum mehr denkbar.
Vernetzte Wirtschaft
„Digitale Infrastruktur ist heute genauso wichtig wie Straßen oder Energieversorgung“, betont Thomas Arnoldner, Deputy CEO der A1 Group. In den vergangenen zehn Jahren habe A1 rund 5,7 Milliarden Euro investiert, über 90 Prozent davon in technische Infrastruktur. „Mit mehr als 85 Prozent 5G-Versorgung im besiedelten Raum und einem Glasfasernetz von 77.000 Kilometern setzen wir europäische Maßstäbe.“
Trotz dieser Fortschritte sieht Arnoldner Handlungsbedarf: „Österreich steht am Scheidepunkt. Wir können Vorreiter werden, wenn wir mutig deregulieren und Genehmigungen beschleunigen.“
Überregulierung, lange Verfahren und eine fragmentierte Förderpolitik bremsen die Entwicklung und gefährden Investitionen. Für den A1-Manager ist klar: Der Standort braucht verlässliche Rahmenbedingungen und ein politisches Bekenntnis zu privatwirtschaftlichen Investitionen.
Neue Chancen
Laut WIFO und IHS erzielen digitalisierte Unternehmen bis zu 20 Prozent höhere Produktivitätsgewinne als ihre Mitbewerber. Besonders KMU profitieren, weil sie mit Cloud, KI und Datenmanagement ihre Innovationskraft und Exportfähigkeit steigern. „Digitalisierung ist der Turbo für Wettbewerbsfähigkeit“, betont Martin Zach, Managing Director von DXC Technology Austria. „Cloud-Plattformen, Datenmanagement und digitale Transformation sind die Kernhebel für Produktivität und Innovation.“
Zach verweist darauf, dass Digitalisierung weit mehr sei als technischer Fortschritt. Sie sei ein zentraler Wachstumstreiber der österreichischen Wirtschaft. Cloud-Lösungen schaffen flexible IT-Ressourcen und schnellen Zugang zu KI-Diensten, während eine gute Dateninfrastruktur Vertrauen und Wiederverwendbarkeit ermöglicht. „Österreich braucht klare Rahmenbedingungen und gezielte Förderprogramme für KMU, um international aufzuholen“, so Zach.
Besonderes Potenzial sieht er in „smarten Regionen“, die datengetriebene Geschäftsmodelle wie Mobilität, Energiemanagement oder Smart Tourism erproben. „Regionale Pilotprojekte können rasch skaliert werden, wenn Verwaltung, Forschung und Wirtschaft kooperieren“, sagt Zach.
Gemeinsame Standards und Public-Private-Partnerships senken die Risiken und treiben Innovation voran.
Sicheres Netz
Chancen bergen auch Risiken. Wo digitale Geschäftsmodelle entstehen und Datenströme Wertschöpfung schaffen, wächst auch die Angriffsfläche für Cyberkriminalität. Jede Innovation zieht Versuche nach sich, sie zu missbrauchen und macht Sicherheit zum unverzichtbaren Gegenpol technologischer Entwicklung. „Innovation ohne Sicherheit ist wie Wachstum ohne Fundament, sie wird irgendwann zusammenbrechen“, warnt Zach.
Cyberangriffe verursachen laut Studien jährlich Schäden in Milliardenhöhe; in Österreich belaufen sich die wirtschaftlichen Verluste auf mehrere hundert Millionen Euro. Besonders KMU sind verwundbar, da sie oft über begrenzte IT-Ressourcen verfügen. Die Folgen gehen weit über technische Schäden hinaus: Unterbrochene Lieferketten, Vertrauensverluste und Produktionsausfälle machen Cybersicherheit zu einer zentralen Standortfrage.
Die EY Cybersecurity Studie 2025 unterstreicht die Dringlichkeit. 47 Prozent der Unternehmen sehen ein hohes Risiko für Angriffe, zwölf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Dennoch verfügt fast jedes dritte Unternehmen über kein fixes Sicherheitsbudget. „Das ist ein Alarmsignal“, warnt EY-Experte Bernhard Zacherl. „Ohne ausreichende Mittel bleiben selbst die besten Konzepte Theorie.“
Phishing ist mit 73 Prozent die häufigste Angriffsform, gefolgt von Malware und Ransomware. Betroffen sind vor allem Finanzabteilungen, Vertrieb und Management. Nur 57 Prozent der Betriebe verfügen über Notfallpläne oder Incident-Response-Teams. Arnoldner betont: „Cybersecurity ist ein strategisches Standortthema. Wir investieren jährlich rund 40 Millionen Euro und wehren täglich 90.000 Angriffe ab.“
Mensch im Fokus
Ein großes Risiko bleibt der Mensch. Rund 80 Prozent aller Sicherheitsvorfälle gehen laut DXC-Erhebungen auf menschliches Fehlverhalten zurück. Fehlende Aufmerksamkeit, schwache Passwörter oder ein unbedachter Klick genügen oft, um Schäden auszulösen.
„Sicherheit beginnt beim Bewusstsein“, sagt Arnoldner. A1 setze daher auf Schulungen und Programme, um digitale Kompetenzen in allen Altersgruppen zu stärken. Zach fordert klare Mindeststandards, regelmäßige Audits und einfacheren Zugang zu Managed-Security-Services für KMU. „Cybersicherheit muss für jedes Unternehmen leistbar und umsetzbar sein, sonst bleibt sie ein Privileg der Großen“, betont er.
Vertrauen sei in der digitalen Wirtschaft eine der wichtigsten Währungen und ohne Sicherheitskultur kaum zu halten. „Wenn es gelingt, Sicherheit als Teil der Unternehmenskultur zu verankern, wird daraus ein echter Standortvorteil“, ergänzt Zach. Dafür auch nationale Zertifizierungen für Digital Skills und stärkere Anreize für berufliche Weiterbildung.
Blick nach vorn
Bis 2030 wird die Digitalisierung tiefgreifender wirken als jede Industrialisierung zuvor. Generative KI, hybride Cloud-Architekturen und automatisierte Sicherheitslösungen verändern Wertschöpfung, Beschäftigung und Wettbewerbsdynamik gleichermaßen. „Wer KI aktiv und verantwortungsvoll nutzt, wird einen enormen Produktivitätsschub erleben“, ist Arnoldner überzeugt. Zach warnt: „Wir müssen jetzt handeln. Wer die digitale Transformation verschläft, verliert nicht nur Marktanteile, sondern Zukunft.“
Beide sehen in der Verbindung von Technologie und Bildung den Schlüssel. Nur wer Daten sicher verarbeitet, KI ethisch nutzt und Talente gezielt fördert, bleibt im globalen Wettbewerb vorne. „Die Zukunft gehört jenen Standorten, die Daten, Infrastruktur und Menschen gleichermaßen weiterentwickeln“, so Zach.
Digitalisierung ist ein entscheidender Faktor wirtschaftlicher Resilienz und ein zentrales Standortthema. Österreich steht an einem Wendepunkt. Die digitale Transformation bietet Chancen, verlangt aber Entschlossenheit, Weitsicht und Mut. Gelingt das, kann Österreich den Takt vorgeben.
Herta Scheidinger
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