Wasserversorgung auf dem Prüfstand

Roman Neunteufel BOKU
Wasser und Abwasser. Österreich verfügt landesweit über ein dichtes Sicherheitsnetz. Experten erklären, warum selbst Blackouts, Cyberangriffe oder Starkregenereignisse gut abgefedert werden können.

Von Sandra Wobrazek

Für die meisten Menschen ist sauberes Wasser aus der Leitung selbstverständlich: Den Wasserhahn aufdrehen, sauberes Leitungswasser fließt. Die WC-Spülung betätigen, Abwasser wird abtransportiert.

Doch wie gut ist Österreich wirklich vorbereitet, wenn eine Krise eintritt? „Die Wasserversorgung ist essenziell für jede Gesellschaft. Sie ist deshalb hierzulande seit Jahrzehnten so gut gelöst, dass alles klaglos funktioniert“, sagt Roman Neunteufel vom Institut für Siedlungswasserbau der Universität für Bodenkultur (BOKU). Die Branche arbeite deswegen mit „Hosenträger und Gürtel“ – also maximaler Absicherung statt Minimalbetrieb.

Hoher Vorsorgestand

Vor allem die Angst vor einem Blackout beschäftigt viele. „Die Wasserversorger sehen das Thema Blackout aber sehr entspannt“, betont Neunteufel. In alpinen Regionen würden Hochbehälter das Wasser auch ohne Strom weitertransportieren, im Flachland greifen Notstromaggregate. „Der Vorsorgestand ist sehr hoch.“ 

Auch bei der Abwasserentsorgung zeigt sich ein ähnliches Bild. Fällt die Stromversorgung aus, könnten Kanäle besonders im Flachland zwar rasch an ihre Grenzen kommen, doch die Betreiber haben vorgesorgt – mit Notstrom und detaillierten Notfallplänen. 

„Das Abwasser ist fast genauso wichtig wie die Wasserversorgung“, so Neunteufel. Ein Ausfall wäre schnell ein hygienisches Risiko.

Größer als die Herausforderung eines Blackouts ist jene des Klimawandels. „Der Abwassersektor leidet unter Klimawandelauswirkungen wahrscheinlich stärker als die Wasserversorgung“, so Neunteufel. 

Etwa durch Starkregen-Ereignisse, die Kanäle und Anlagen überlasten und teure Reinigungsarbeiten nötig machen. Außerdem gibt es digitale Bedrohungen, insbesondere Cyberangriffe. 

Während kleine Gemeinden oft noch mit Standardsystemen arbeiten, sind große Versorger vorbereitet: „Sie haben Offline-Strukturen etabliert, die nicht von außen angreifbar sind.“

Rundum abgesichert

Gerade in einer Metropole wie Wien stellt sich die Frage nach Versorgungssicherheit mit dem wertvollen Nass. Ereignisse wie ein Stromausfall bedeuten für die Wasserversorgung in Österreichs Hauptstadt keine größere Einschränkung, betont Paul Hellmeier, Leiter von Wiener Wasser: „Die weit überwiegende Mehrheit der Wiener hätte auch im Fall eines Blackouts weiterhin Zugang zu Wasser in der Wohnung.“

Die größte Bewährungsproben? Bevölkerungswachstum und Klimawandel: Wien wird laut Prognosen bis 2050 von derzeit rund zwei Mio. auf rund 2,3 Mio. Einwohner wachsen. „Der durchschnittliche Wasserbedarf wird im gleichen Zeitraum von aktuell 400.000 Kubikmeter auf etwa 450.000 Kubikmeter pro Tag zunehmen“, prognostiziert Hellmeier. 

Hinzu kommt: „Auch der Klimawandel beeinflusst die benötigte Wassermenge. In Wien werden mehr heiße Tage und längere Hitzewellen erwartet. Langanhaltende Hitzewellen bedeuten für Wasserversorgungsunternehmen meist Spitzenverbräuche.“ 

Um die Versorgung zu sichern, haben Bürgermeister Michael Ludwig und Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky bereits 2022 die Strategie „Wiener Wasser 2050“ präsentiert. 

Sie reicht von der Erhöhung der verfügbaren Wassermenge über den Ausbau der Wasserbehälter bis zur Sanierung und Erweiterung des Rohrnetzes.

Kläranlagen im Fokus

Welche Bedeutung eine kommunale Kläranlage für den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt hat, weiß Daniel Thurner, Geschäftsführer der Kläranlage Imst in Tirol, die das Abwasser von 46.000 Einwohnern reinigt: 

„Sie sorgt dafür, dass Abwässer so behandelt werden, dass Flüsse, Seen und Grundwasser dauerhaft nutzbar und ökologisch stabil bleiben. Gleichzeitig verhindert sie die Ausbreitung von Krankheitserregern sowie unangenehme Geruchsbelastungen in Wohngebieten.“

Ein vollständiger Ausfall, bestätigt Thurner, ist äußerst selten, da Systeme in der Regel doppelt ausgelegt sind. Sollte es dennoch dazu kommen, „können erhebliche ökologische, gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden entstehen – bis zur Sperrung von Gewässern, Fischsterben, Kontamination von Böden oder Infrastrukturproblemen im Kanalnetz“. 

Die Imster Kläranlage kann dank ihrer Faulgasproduktion einen Teil des Strombedarfs selbst decken – und so die relevanten Reinigungsprozesse autark aufrechterhalten. „Zusätzlich stehen Photovoltaik-Anlagen und leistungsfähige Notstromaggregate zur Verfügung, um Pumpwerke, Belüftungssysteme und Steuerungstechnik weiter zu betreiben“, so Thurner.

Zukünftige Herausforderungen

Österreichs Kläranlagen haben trotz der umfassenden Absicherung mit Herausforderungen zu kämpfen. Neben hohen Energiekosten sind dies Starkregenereignisse, die häufiger und intensiver werden. 

Das belastet Kanalnetze, Pumpwerke und die biologischen Reinigungsprozesse erheblich, da große Wassermengen kurzfristig bewältigt werden müssen, so Daniel Thurner, der auf strengere gesetzliche Anforderungen verweist: 

„Neue Vorgaben wie der Ausbau zur vierten Reinigungsstufe erfordern technische Modernisierungen und Investitionen. Hier braucht es innovative Lösungen und Produkte – etwa das Produkt ,Nanocarbon‘ von VTA, um zukünftige Anforderungen zuverlässig und wirtschaftlich zu erfüllen.“

Auch wenn Energiepreise, Klimawandel und neue Standards die Branche fordern, sind die Rahmenbedingungen gegeben-. 

Denn am Ende zählt, worauf Forscher Roman Neunteufel verweist: „Die öffentliche Wasserversorgung ist in Österreich sehr gut abgesichert.“

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