Vorgegebenes nicht einfach hinnehmen
Von Anja Gerevin
Vorbildwirkung.
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, so ein altes Sprichwort. Doch trifft es tatsächlich zu, dass Bildung und sozialer Status der Eltern den weiteren Lebensweg der Kinder vorgeben? Das untersucht das vom WWTF geförderte Forschungsprojekt Mobility Path unter Leitung von Franziska Disslbacher, Assistenzprofessorin an der WU Wien.
„Wir wollen herausfinden, wie sehr der sozioökonomische Status in Österreich, gemessen an Bildung und Einkommen, davon abhängt, in welche Familie man hineingeboren wurden“, so die Wissenschafterin. „Wie werden Bildungsverläufe von Kindern beeinflusst, wenn die Eltern hohe Bildung und hohes Einkommen haben oder umgekehrt?“
Von Generation zu Generation
Traditionell war es üblich, dass die Kinder beruflich in die Fußstapfen der Eltern traten und etwa das Unternehmen oder den Hof übernahmen. „Wir vermuten, dass die Bildungspersistenz, also der Konnex zwischen Eltern- und Kinderbildung, weiterhin hoch ist“, sagt Disslbacher. „Da dürfte sich trotz des allgemeinen Anstieges des Bildungsniveaus überraschend wenig verändert haben.“
Die sogenannte Bildungsmobilität, also eine höhere Ausbildung in der Generationenfolge, scheint in Österreich nach wie nicht stark ausgeprägt zu sein. „Haben die Eltern einen Pflichtschulabschluss oder ein Studium absolviert, haben die Kinder häufig einen sehr ähnlichen Abschluss“, bekräftigt die Projektleiterin.
„Wir untersuchen aber auch die sogenannte Einkommensmobilität: Hier geht es darum, ob Töchter und Söhne von Eltern mit höherem Einkommen später auch Besserverdiener sind. Dazu gibt es bislang keine validen Daten.“ Allerdings vermutet Franziska Disslbacher, das beide Punkte nicht zwangsläufig miteinander korrelieren müssen.
Für Chancengleichheit
Für das Projekt Mobility Path, das bis Ende 2027 laufen wird, verwendet das Team rund um Franziska Disslbacher Daten der amtlichen Statistik, Lohnsteuerstatistik, Informationen zu Familienbeziehungen, Schul- und Hochschulstatistik. „So können wir die Wege der Menschen durch das Bildungswesen sehr gut nachverfolgen“, betont die Wissenschafterin
„Wir wollen herausfinden, wie groß die Veränderungen, vor allem im Bildungssystem, in den letzten 40 Jahren auf die Bildungs- und Einkommenspersistenz gewirkt haben. So schaffen wir Evidenz. Und wir identifizieren Punkte und Schnittstellen, die eine besonders große Wirkung auf die Chancen von schlechter gestellten Kindern haben.“
Laut österreichischen Recht sollte Chancengleichheit gegeben sein – für alle, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder anderen sozialen Merkmalen, sollte es die gleiche Möglichkeit und den gleichen Zugang zu Ressourcen, Bildung und Beschäftigung geben. „Wie wir wissen, ist das aber nicht der Fall“, so Disslbacher.
„Deshalb ist es wichtig, die Schnittstellen im Bildungs- und Erwerbsleben der Menschen zu identifizieren, an denen der elterliche Hintergrund schlagend wird.“ Die Ergebnisse des Projekts Mobility Path werden dann auf der interaktiven Homepage „Der Atlas der sozialen Mobilität“ veröffentlicht.
Franziska Disslbacher: „Da es dazu bisher keine Untersuchungen gab, leisten wir mit dem komplexen Projekts Pionierarbeit.“
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