Vom Hörsaal ins Unternehmertum
Von Sandra Wobrazek
Nie zuvor wurde in Österreich so viel Geld in ein Start-up in seiner Frühphase investiert. Emmi AI, ein Spin-off der Johannes Kepler Uni Linz (JKU) gab im April den Abschluss einer Seed-Finanzierungsrunde – der ersten formellen Finanzierungsrunde eines Start-ups in der Frühphase – bekannt: 15 Mio. Euro war es den Investoren wert, Emmi AI zu unterstützen.
Neues wagen
Emmi AI ist eines von rund 90 Spin-offs, die jährlich aus universitären Forschungsarbeiten hervorgehen und in denen talentierte Menschen innovative Produkte und Verfahren entwickeln. Im Fall von Emmi AI handelt es sich um KI-gestützte Physik-Simulationsmodelle für industrielle Anwendungen – etwa in der Fluiddynamik, Multiphysik oder Festkörpermechanik.
Durch den Einsatz von KI werden aufwendige Simulationen drastisch beschleunigt: Prozesse, die bislang Tage dauerten, können dank das JKU-Spin-offs in wenigen Sekunden durchgeführt werden. Auf diese Weise lassen sich Entwicklungs- und Produktionszyklen in der Industrie radikal verkürzen, was Unternehmen hilft, ihre Innovationszyklen deutlich zu beschleunigen.
Bahnbrechend
In Österreich hat sein Unternehmen, so Co-Gründer Dennis Just, sehr positive und konstruktive Unterstützung erfahren, etwa durch die Oberbank, die WKOÖ und die FFG, die den Start erleichtert haben:
„Wir erleben bei den österreichischen Industriegrößen viel Neugier für unsere Technologie. Die entscheidende Frage für den Standort ist Wer wagt den ersten Schritt? Die Realität zeigt, dass dieser Mut oft im Ausland größer ist: Unsere ersten Pionierkunden sind führende Konzerne aus Deutschland und den USA, nicht die heimischen Champions.“
Wer als Erster auf eine bahnbrechende Technologie setzt, so der Unternehmer, sichert sich die Technologieführerschaft, wer jedoch zögert, „Überlässt diese Chance dem internationalen Wettbewerb“.
Kapital gesucht
„Österreich hat in bestimmten Bereichen wissenschaftliche Exzellenz, sagt Klaus Grössinger, General Partner der Onsight Ventures Management GmbH: „Zum Beispiel ist Österreich – allen voran Innsbruck – weltweit einer der führenden Standorte im Bereich Quantentechnologien.
Auch in den Life Sciences (etwa Biotech und Pharma) gibt es exzellentes Know-how.“ Es fehlt jedoch, so der Experte, das Kapital, um dieses Know-how am Standort zu halten und die Wertschöpfung langfristig in Österreich zu sichern.
Das hat das Team von ProtectLiB getan: 2024 gründete man im Rahmen des FFG-geförderten Projekts LIONESS die ProtectLiB GmbH als Spin-off der Universität Graz. „Unsere Lösung basiert auf einem patentierten Verfahren, das Batterien sicher verwertet: Durch eine mechanisch-physikalische Separierung und eine anschließende chemische Nachbehandlung mit Abwässern oder Säuren können wir wertvolle Bestandteile wie Lithium, Grafit, Kobalt und Nickel effizient zurückgewinnen“, sagt Co-Founder Tobias Kopp.
Erfolgsfaktoren
Damit ein Spin-off Erfolg hat, betont Klaus Grössinger, sind neben dem passenden Team auch die richtige Technologie, das entsprechende Kapital sowie Kooperationen – in Form eines breiten Netzwerks und von Partnerschaften – essenziell. In Österreich gibt es, so der Experte, bereits sehr gute Unterstützung in der Frühphase einer Gründung – in Form zahlreicher öffentlicher Förderangebote.
„In der Wachstumsphase, dem sogenannten Scale-up, gibt es allerdings noch sehr viel Potenzial in Sachen Unterstützung. Der Europäische Kapitalmarkt und die Börse müssen stärker werden – und es braucht mehr Risikokapital“, ist Grössinger überzeugt.
Die Vision von Emmi AI? Kühn und klar, sagt Dennis Just: „Wir wollen das weltweit erste Unternehmen sein, das eine KI entwickelt, die einen vollständigen industriellen Anwendungsfall von Anfang bis Ende in Echtzeit simuliert und steuert. Das ist der ,heilige Gral‘ der industriellen KI – und wir planen, diesen Meilenstein in den kommenden sechs Monaten zu erreichen.“
Um dieses Ziel zu verwirklichen, geht das Team strategische Kooperationen mit „Giganten“ der Branche ein: Enge Partnerschaften mit Technologieführern wie etwa NVIDIA sollen es ermöglichen, Rechenleistung und Expertise zu bündeln.
Just: „Damit werden wir nicht nur ein weiteres Software-Tool schaffen, sondern ebnen den Weg für eine neue Ära der industriellen Produktivität.“
Sandra Wobrazek
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