„Unsere Betriebe brauchen freie Fahrt“

Harald Mahrer
Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), im Gespräch über die Rolle Österreichs und der Europäischen Union im Kräftefeld zwischen den USA und China.

Von Sandra Wobrazek

Die Supermächte USA und China wollen sich mit milliardenschweren Investitionsprogrammen überbieten – ein Kräftemessen um wirtschaftliche Dominanz. Doch wie kann Europa – und mit ihm Österreich – im globalen Wettbewerb bestehen, ohne zwischen den geopolitischen Fronten zerrieben zu werden? WKÖ-Präsident Harald Mahrer fordert im Gespräch mehr internationale Zusammenarbeit, weniger Bürokratie und mehr Mut zum strategischen Denken.

Europa steht im wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen den USA und China. Wie gut ist Österreich in diesem globalen Kräftefeld aufgestellt? 

Harald Mahrer: Wir haben in Österreich zahlreiche sensationelle Unternehmen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen Welt- oder Europameister in Sachen Qualität oder Innovation sind. Wir haben aber ein Preisproblem. Gleichzeitig haben andere Länder massiv aufgeholt und uns sogar überholt. China ist heute bei 57 von 64 Schlüsseltechnologien führend. Um im globalen Vergleich zu bestehen, müssen wir in Europa und in Österreich dringend an der Wettbewerbsfähigkeit schrauben.

Die USA investieren massiv in Industrie, Forschung und Energieunabhängigkeit. China verfolgt eine langfristige Industriepolitik. Wie sollte Europa – und speziell Österreich – darauf reagieren, um nicht zum reinen Absatzmarkt zu werden?

Indem wir den Industriestandort Europa flexibler und erfolgreicher aufstellen. Dazu braucht es eine europäische Industriestrategie, in deren Kontext auch Österreichs Industriestrategie konzipiert sein muss. Sie wird derzeit erarbeitet. Die Sozialpartner liefern dafür Input. Wichtig ist: Europäische Industrie- und Standortpolitik entfaltet ihre Wirkung dann am besten, wenn sie auf gemeinsame wirtschaftliche Stärke setzt. 

Statt einer ineffizienten Aufteilung in viele Einzelstrategien lassen sich durch abgestimmtes Vorgehen Vorteile erzielen, wenn sich Länder spezialisieren und gemeinsam effizienter produzieren. Wir brauchen außerdem neue Freihandelsabkommen und müssen zügig bestehende Export-Partnerschaften weiterentwickeln. Sie bieten uns neue Absatzmöglichkeiten und die Möglichkeit, unsere hochwertigen österreichischen Produkte an neue Kunden in neuen Märkten rund um den Globus zu verkaufen.

Viele Unternehmen klagen über hohe Energiepreise, Bürokratie und Fachkräftemangel. Welche Standortfaktoren müssen gestärkt werden, damit Österreich international wettbewerbsfähig bleibt?

Die angesprochenen Kosten zu senken, ist wesentlich, denn wir laufen Gefahr, dass unsere Produkte im internationalen Vergleich zu teuer werden. Zum Teil sind sie es heute schon. Dafür braucht es wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen. Ohne Strukturreformen wird es nicht gelingen, den Standort nachhaltig wettbewerbsfähig zu machen.

Wie kann Österreich als kleine, exportorientierte Volkswirtschaft seine Position sichern, ohne zwischen den Blöcken zerrieben zu werden?

Für das operative Geschäft werden das Gespür und die richtige Einschätzung der geopolitischen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf Umsätze, Standorte, Märkte und Lieferketten immer wichtiger. Gleichzeitig ist es für eine mittelgroße Exportnation wie Österreich wichtig, die wirtschaftlichen Beziehungen noch breiter aufzustellen.

Was ist notwendig, damit diese Ziele nachhaltig erfolgreich sind?

Mehr internationale Zusammenarbeit in Industrie, Forschung und einzelnen Branchen. Wir müssen noch stärker als bisher an die globalen Wachstumszentren wie etwa Südostasien andocken. Dabei können sich die Unternehmen auf das weltweite Netzwerk unserer Außenwirtschaft Austria verlassen.

Wenn Sie auf die kommenden zehn Jahre blicken: Welche wirtschaftspolitischen Weichen muss Österreich jetzt schon stellen, um im globalen Wettbewerb zwischen den USA und China zu profitieren?

Österreich kann Zukunft, wenn man unsere Wirtschaft lässt. Daher braucht es weniger Staat, weniger Auflagen, weniger Belastung und mehr Freiräume. Unsere Produkte sind hervorragend, sehr oft viel besser als US-amerikanische oder chinesische Produkte, aber unsere Betriebe brauchen freie Fahrt.

Interview: Sandra Wobrazek

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