„Technische Universitäten sind Brückenbauer der Zukunft“

„Technische Universitäten sind Brückenbauer der Zukunft“
Jens Schneider, Rektor der TU Wien und Präsident der TU Austria, erklärt, warum Österreich mehr Mut, klare Prioritäten und die besten Köpfe braucht, um im globalen Wettbewerb um Innovation und Exzellenz zu bestehen.

Von Stephan Scopetta

Die Technischen Universitäten prägen Österreichs Innovationskraft – und damit seine Zukunftsfähigkeit. Im Interview erklärt TU-Wien-Rektor Jens Schneider, wie er Forschung, Wirtschaft und Politik stärker vernetzen will. 

Exzellenz, Kooperation und klare Prioritäten seien entscheidend, um Wissen in Wertschöpfung zu verwandeln und Österreich als Hightech-Standort sichtbar zu machen.

Welche Rolle kommt den Technischen Universitäten im Standortwettbewerb zu? 

Jens Schneider: Technik hat seit Jahrhunderten tiefgreifende Veränderungen in unserer Gesellschaft bewirkt. Sie ist ein entscheidender Brückenbauer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ihre Aufgaben greifen ineinander: Wissen schaffen durch exzellente Forschung, weitergeben in Lehre und Ausbildung, anwenden in Kooperationen und Ausgründungen und einordnen im Dialog mit Politik und Gesellschaft. 

So fördern sie Innovation und ermöglichen faktenbasierte Entscheidungen. Diese Rolle ist unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit Europas – gerade in einer Zeit immer kürzerer Innovationszyklen und wachsender Komplexität. Forschung in Talente und Wertschöpfung zu verwandeln, ist seit über 200 Jahren die Stärke der Technischen Universitäten.

Wie sehen Sie aktuell die Position Österreichs als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort im internationalen Umfeld? 

Österreich hat viele Stärken: exzellente Forschung und Lehre, talentierten Nachwuchs, ein tolerantes Umfeld und hohe Lebensqualität. Auch bei Digitalisierung, Verkehrsinfrastruktur und der Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft gibt es Fortschritte, also echte Standortvorteile. 

Dennoch bestehen strukturelle Schwächen: Auf EU-Ebene fehlt eine funktionierende Kapitalmarktunion und zu viel Regulierung hemmt den Binnenmarkt. National belasten hohe Lohnnebenkosten Unternehmen, und die Kinderbetreuung ist ausbaufähig. 

Eine alternde Gesellschaft ist Herausforderung und Chance zugleich: Wir müssen Strukturen schaffen, die längeres aktives Arbeiten und die Förderung junger Talente ermöglichen. Denn Spitzenleistungen brauchen Profile, Investitionen und Internationalisierung.

Welche gemeinsamen Initiativen der TU Austria sind in Planung, um den Standort für Forschung, Innovation und Industrie weiter zu stärken? 

Als TU Austria bündeln wir unsere Kräfte durch Abstimmung und Schwerpunktbildung in Forschung und Lehre und nutzen gemeinsame Forschungsinfrastrukturen. Beispiele dafür sind der High Performance Computing Cluster HPC oder die AI Factory AI:AT. 

Darüber hinaus stärken wir unsere Sichtbarkeit durch gemeinsame Karriere- und Talentprogramme sowie eine abgestimmte Internationalisierungs- und Transferstrategie. Gerade haben wir gemeinsam mit Siemens das RIE AUT gegründet, ein Research & Innovation Ecosystem für ganz Österreich. 

Wir bauen unsere Zusammenarbeit weiter aus, etwa bei teuren Großinstrumenten, bei EU-Projekten oder bei Spin-off-Förderungen. Auch gemeinsame Aktivitäten bei der Kooperation mit Wirtschaft und Gesellschaft stehen auf der Agenda, zum Beispiel bei Quantum Science & Technology oder Digitaler Humanismus. 

Unser Ziel ist klar: TU Austria soll als sichtbare, nationale Plattform für Hightech-Forschung, exzellente Lehre und Innovation wahrgenommen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Forschungsstandort, insbesondere bei Finanzierung und internationaler Vernetzung? 

Ich sehe zwei zentrale Herausforderungen: Erstens ist die grundsätzliche Budgetausstattung unserer Universitäten zu knapp, gerade wenn gleichzeitig international wettbewerbsfähige Spitzenforschung und eine qualitativ hochwertige und breit gefächerte Lehre sichergestellt werden sollen. 

Projektbezogene Förderungen sind zwar wichtig, können eine stabile Basisfinanzierung aber nicht ersetzen.  Zweitens erschwert die Bürokratie bei nationalen und internationalen Projekten sowie die Fragmentierung der Förderinstrumente eine schnelle, effektive Vernetzung. 

Wir brauchen weniger kurzfristige Fördertaktiken mit festgelegten Themen, dafür mehr strategische Grundausstattung und einfachere Rahmenbedingungen für EU-Kooperationen.

Im Bereich GreenTech und Energiewende sind technologische Universitäten zentrale Impulsgeber. Wie kann die TU Austria diesen Wandel noch intensiver vorantreiben? 

Wir setzen auf gebündelte Forschungsprogramme in Bereichen wie Energieeffizienz, Sektorkopplung, Energiespeicherung, Digitalisierung der Netze und nachhaltige Mobilität.

Dabei arbeiten wir eng mit Industriepartnern zusammen, fördern Transferprogramme und beauftragen Start-ups im GreenTech-Bereich. Ein aktuelles Beispiel ist das Doktoratskolleg zu Computational Sustainability, das wir gemeinsam mit der JKU Linz gestartet haben. 

Außerdem kooperieren wir im Energy Launchpad mit der Verbund AG, der ETH Zürich, EnBW und der TU München. Hilfreich wären nationale Reallabore und beschleunigte Förderinstrumente, um gemeinsame Forschungsergebnisse schneller marktreif zu machen. 

Am Standort Hainburg arbeiten wir gerade mit dem Land Niederösterreich, der FH St. Pölten und der TU Bratislava an einem GreenTech Campus. Potenzielle Partner für weitere Projekte sind etwa das AIT und das ISTA.

Wie stärken die Technischen Universitäten durch Wissenstransfer und Kooperationen die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft? 

Wir setzen auf systematischen Wissens- und Technologietransfer, über Studierende, gemeinsame Industrieprojekte und durch Start-ups, die Forschungsergebnisse rasch in die Praxis bringen. Ein hervorragendes Beispiel sind die durch die Christian-Doppler-Gesellschaft geförderten Labore, die vor allem KMU direkten Zugang zu Expertise ermöglichen. 

Ebenso wichtig sind maßgeschneiderte Weiterbildungsangebote, offene Test- und Laborinfrastrukturen sowie gezielte Spin-off-Programme, die Innovationen marktreif machen. 

Kooperationen mit Venture Capitals, klare Regeln für geistiges Eigentum und eine starke Ausgründungskultur schaffen das Umfeld, in dem neue Wertschöpfung entsteht. Unser Ziel ist klar: Forschung soll dort wirken, wo sie Zukunft gestaltet – in Unternehmen, Märkten und Gesellschaft.

Die Positionierung im globalen Forschungswettbewerb ist herausfordernd. Wodurch differenziert sich Österreich und welche Schwerpunkte setzen Sie als TU-Austria-Präsident? 

Österreich zeichnet sich durch hohe Forschungsqualität und hervorragende Infrastruktur in ausgewählten Bereichen aus, wie etwa in Quantum Science & Technology, Photonics, High Energy Physics, Biotech und MedTech, Data Science & AI, Digital Humanism, Mobility, Architecture & Spatial Planning, Circular Economy oder Green Technologies. 

Als Präsident von TU Austria setze ich auf gezielte Profilbildung der Standorte, auf Abstimmung und Clusterbildung in Schlüsselbereichen sowie auf koordinierte Internationalisierung. Gerade in einer global vernetzten Forschungslandschaft. 

Forschung braucht fokussierte Tiefe und das gelingt nur, wenn wir die hervorragende forschungs- und methodengeleitete Lehre, unsere Talente und den wissenschaftlichen Nachwuchs konsequent einbeziehen und fördern.

Stephan Scoppetta

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