Österreich steht an einem Scheideweg
Von Herta Scheidinger
Österreich galt lange als wirtschaftlich stabiles Land mit hoher Lebensqualität, gut ausgebildeten Fachkräften und starker industrieller Basis. Doch diese Erfolgsfaktoren geraten zunehmend unter Druck. Internationale Konkurrenz, überbordende Bürokratie, steigende Energiekosten und der Fachkräftemangel gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts – und damit auch den Wohlstand kommender Generationen.
Besonders die heimische Industrie leidet unter der Entwicklung der letzten Jahre. Eines der größten Probleme ist die Kostenstruktur. Österreich zählt mittlerweile zu den teuersten Produktionsstandorten Europas. Energiepreise, die über dem EU-Durchschnitt liegen, sowie hohe Lohnnebenkosten machen den Unternehmen das Leben schwer. „Wir haben uns in den letzten vier Jahren aus dem Markt gepreist. heimische Anbieter ziehen bei Projekten im Ausland immer öfter den Kürzeren, weil internationale Kunden nicht bereit sind, die hausgemachte Inflation in Österreich zu finanzieren“, gibt Thomas Bründl, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, zu bedenken.
„Wir müssen jetzt Maßnahmen setzen, um so rasch wie möglich wieder an das europäische Niveau heranzukommen. Wir haben in den letzten Jahren begonnen, uns immer mehr einzuzementieren, wir wollten alles besser machen als die anderen EU-Länder, das hat zusätzliche Belastungen ausgelöst.
Ein Beispiel dafür sind die Klimaziele. Uns ist über die Jahre ein gewisses Maß an Realität abhandengekommen“, so Bründl weiter.
Auch die Gefahr der Deindustrialisierung steht im Raum. „Die Betriebe müssen ihre Kosten in den Griff bekommen. Sie bauen Personal ab und verlagern Teile der Fertigung in andere Werke im Ausland. Besonders energieintensive Betriebe stehen hier unter Druck – ein Trend, der langfristig Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gefährdet.”
Schwieriger Arbeitsmarkt
Der Fachkräftemangel ist ein weiteres zentrales Risiko. In vielen Branchen – vom Handwerk über die Industrie bis zur IT – fehlen qualifizierte Mitarbeiter. Das Bildungssystem reagiert nur schleppend auf den Wandel der Arbeitswelt. Gleichzeitig erschweren komplizierte Einwanderungsregeln die Anwerbung internationaler Talente.
Ohne gezielte Maßnahmen droht eine Abwärtsspirale: weniger Fachkräfte, geringere Produktivität, sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Doch das kann getan werden, um den Wirtschaftsstandort Österreich und die Arbeitsplätze zukunftssicher zu machen? „Zuerst sind Investitionen der Betriebe in Qualifizierung ihrer Beschäftigten zu nennen, damit alle mit dem Strukturwandel Schritt halten können“, so Renate
Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer. Von einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters hält sie jedoch nichts. „Viele Menschen schaffen es nicht mal bis zum Regelpensionsalter. Rund 30 Prozent der mittleren und größeren Betriebe beschäftigen keinen einzigen Menschen über 60. Da muss man anfangen, alles andere vergrößert nur die Probleme von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und belastet die Sozialsysteme.“
Auch eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes – wie sie oft gefordert wird – hält sie nicht für zielführend: „Es gibt enorm viele Arbeitszeitmodelle in Branchen und Betrieben, wir sind da schon viel flexibler als manche uns glauben machen.
Der größte Standortnachteil sind unzufriedene, kranke, überarbeitete Beschäftigte. Ideen wie 41 Wochenstunden helfen dem Standort ganz sicher nicht“, bekräftigt Anderl.
Ein wichtiger Punkt ist für sie, dass das Leben wieder leistbar sein muss. „Das hilft den Menschen, stärkt den Konsum, kurbelt die Wirtschaft an und nutzt auch den Sozialsystemen. Soziale Gerechtigkeit ist die Basis für sozialen Frieden, und das ist das beste As im Ärmel im Spiel um Wettbewerbsfähigkeit.“
Energie im Fokus
Die Energiesicherheit ist für den Standort Österreich von essenzieller Bedeutung. Das bestätigt auch Verbund-Chef Michael Stugl: „Eine zuverlässige und kosteneffiziente Energieversorgung ist der Grundpfeiler für die wirtschaftliche Stabilität und sichert die Wettbewerbsfähigkeit des Landes“, erklärt er, und weiter: „Österreich zählt zu den Ländern mit der höchsten Versorgungssicherheit in Europa.
Stromausfälle sind hierzulande selten und treten in der Regel nur lokal oder vorübergehend auf, die durchschnittliche Dauer von Stromausfällen in Österreich liegt im Allgemeinen im Bereich von wenigen Minuten pro Jahr pro Haushalt.“
Geänderte Rahmenbedingungen am Energiemarkt haben dazu geführt, dass die Energiekosten explosionsartig gestiegen sind und einen entscheidenden Standortfaktor darstellen. Wie werden sich die Energiekosten in Zukunft entwickeln? „Wir müssen den Umbau des gesamten Energiesystems – von fossil auf erneuerbar – intelligent planen und das Zieldreieck leistbar, nachhaltig und sicher im Auge behalten.
Gerade Investitionen in die Energie-Infrastruktur stärken den heimischen Wirtschaftsstandort und bringen einen Konjunkturschub. Selbst erzeugte erneuerbare Energie macht uns unabhängiger von Importen und dämpft die Preisentwicklung. Das ist der Weg“, ist Michael Stugl überzeugt.
Vor allem die Industrie hat unter den hohen Energiekosten gelitten und brauchen Planungssicherheit. Strugl: „Energiekosten haben einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten der Produktion und somit auch auf die Wettbewerbsfähigkeit.
Anbieter von Energiedienstleistungen können maßgeschneiderte Angebote entwickeln, die langfristige Preissicherheit, flexible Abnahmeverträge und Integrationslösungen für erneuerbare Energien beinhalten, um den Unternehmen eine kalkulierbare Grundlage zu bieten.“
Handel unter Druck
Die österreichische Handelsbranche erlebt ein durchwachsenes Jahr. Belastungen durch teure Energie, zunehmende Firmenpleiten, hohen Rohstoffpreise auf den Weltmärkten und sinkende Arbeitsplätze prägen die Branche. Ein Beispiel dafür ist der heimische Möbelhandel. Dieser wurde heuer durch die Pleite der Möbelkette Kika/Leiner erschüttert.
Das Traditionsunternehmen musste nach einigen Eigentümerwechsel Anfang des Jahres die verbliebenen 17 Filialen in Österreich schließen. Nach dem Boom in den Corona Jahren haben die darauffolgenden globalen Krisen und Unsicherheiten auch im Möbelhandel ihre Spuren hinterlassen.
„Klarerweise sind die Kunden etwas verunsichert und zeigen eine Konsumzurückhaltung – vor allem aber auch, wird derzeit einfach mehr gespart“, so Thomas Saliger, Unternehmenssprecher der XXXLutz Gruppe. „Nichtsdestotrotz sind wir als Gewinner am Möbelmarkt wieder überaus positiv unterwegs. Dafür strengen wir uns jeden Tag extrem an, um die Kunden von unserer Leistung zu überzeugen“, so Saliger.
Die XXXLutz Gruppe wächst seit 80 Jahren Jahr für Jahr um durchschnittlich sechs Möbelhäuser. Investiert wird laufend in bestehende Standorte, aber auch in neue Standorte sowie Zukäufe.
Saliger: „Auch in Österreich werden wir neue Standorte etablieren, z. B. werden wir in Vöcklabruck und Amstetten, in ehemaligen Leiner-Einrichtungshäusern einen Mömax eröffnen – in Lienz, Mistelbach und Wörgl (ehemalige Kika Häuser) ein XXXLutz Einrichtungshaus.
Daher können wir vermeintlich verlorene Möbelhandelsstandorte wiederbeleben und über 400 Mitarbeitern einen neuen Arbeitsplatz geben.
Ein Problem für die Möbelbranche sind die Personal- sowie die Energiekosten. Damit haben die Händler gegen Konkurrenten aus Deutschland oder Italien massive Wettbewerbsnachteile. Ganz zu schweigen von Billigprodukten aus Fernost. Der Kostendruck in Verbindung mit einem gesunkenen Umsatz macht der Branche zu schaffen.
Gegen den Arbeitskräftemangel geht man bei XXXLutz mit der Ausbildung von Lehrlingen an. Dazu Saliger: „Die Lehrlingsausbildung ist das um und auf der Personalpolitik bei XXXLutz. Seit Jahrzehnten haben wir eine fixe Lehrlingsquote, die mit zehn Prozent des Mitarbeiterstands festgelegt ist. Damit sorgen wir immer frühzeitig an Nachwuchs an Führungskräften, Servicemitarbeitern und viele weitere. Insgesamt beschäftigen wir über 1.200 Lehrlinge alleine in Österreich.
Fakt bleibt: Wenn Österreich seinen Platz in der globalen Wirtschaft behaupten will, braucht es entschlossene Reformen: eine Entbürokratisierungsoffensive, gezielte Steuererleichterungen, eine aktive Fachkräftepolitik und eine klare Strategie für Energie und Innovation.
Herta Scheidinger
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