Modus Co-Operandi

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Moderne Genossenschaften messen Erfolg an gemeinsamen Leistungen, nicht an Profiten für Externe.

Von Clemens Pig

Die Vereinten Nationen haben 2025 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt. Das UN-Motto lautet: „Genossenschaften bauen eine bessere Welt“. Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung bilden die zentrale  Idee der genossenschaftlichen Rechtsform. Vereinfacht gesagt: Konkurrierende Unternehmen gründen zur Erfüllung definierter Leistungen ein Gemeinschaftsunternehmen. 

Dieses kooperative Prinzip entwickelt sich in internationalen Medienmärkten gerade zum Motor und Role-Model der Zusammenarbeit zwischen konkurrierenden Medienunternehmen gegenüber den Big-Tech-Plattformen – zur wirtschaftlichen Existenzsicherung des Medienstandortes und damit zur demokratischen Zukunftssicherung des Modells „professioneller Journalismus“. 

Vom Shareholder-Value zum Member-Value 

Die aktuellen und laufend neuen Beispiele der Medien-Kooperation reichen von zentralen Login-Lösungen für User über branchenübergreifende Media-Literacy-Programme gegen Fake News und Desinformation für Young Audiences bis hin zum Zusammenschluss von Medien bei der Gründung eines eigenen KI-Modells von Medien. Zentrales Merkmal dieser kooperativen Medien-Joint-Ventures ist die Schlüsselrolle von Nachrichtenagenturen bei Willensbildung, Organisation und operativer Durchführung. 

Der wesentliche Vorteil dabei: Kooperativ oder genossenschaftlich organisierte Nachrichtenagenturen wie die Austria Presse Agentur führen auch die stärksten Konkurrenten friedlich und gewinnbringend an einen gemeinsamen Tisch und können moderne Lösungen für Medien realisieren. Kooperative Unternehmen oder Genossenschaften sind Gemeinschaftsunternehmen und agieren dabei in ihrer modernen Interpretation als Digital-Cooperatives: Ihr Unternehmenswert vollzieht sich durch die erbrachten Gemeinschaftsleistungen mehr als Member-Value denn als Shareholder-Value.

Von Sozialen Medien zu Synthetischen Medien

Der Zeitpunkt für diese Renaissance des genossenschaftlichen Prinzips in der europäischen und österreichischen Medienindustrie ist nachvollziehbar: Medienunternehmen stehen aus den bekannten Gründen wirtschaftlich massiv unter Druck und die Polarisierung in den sozialen Netzwerken zeigt ihre Ausläufer auch in teils deutlichen Vertrauensverlusten gegenüber professionellen Medien. 

Auf die sogenannten Social-Media (diese sind weder sozial noch Medien) folgen nunmehr die Synthetic-Media: Niemand kann mehr mit Sicherheit sagen, ob Informationen human- oder AI-generiert oder ein hybrides Fabrikat sind. Dies gilt für alle Formate: Texte, Bilder, Videos. Mit Generative AI ist in der Verschmelzung mit den Social-Media schlichtweg eine neue „Medien-Gattung“ gerade eben im Entstehen: synthetische Medien.

Der Einsatz von KI in den Sozialen Medien zur Produktion von beliebigen Inhalten in allen Formaten und die laufende dosierbare Beimengung dieser synthetischen Inhalte in die Gereiztheit der sozialen Netzwerke bildet einen „idealen“ Nährboden zur Entwicklung von autokratischen Regimen. 

Diese neue Content-Generation der Synthetic-Media stellt wohl einen finalen Kipppunkt dar: erstens für die Social-Media selbst (wie lange halten die Netzwerke selbst und ihre Nutzerinnen und Nutzer das aus?),  zweitens für die liberale Demokratie (wie lange hält eine echte Demokratie, die nicht nur eine Electoral-Democracy sein will, sondern im Vorfeld von Wahlen eine faktenbasierte und ausgewogene öffentliche Meinungs- und Willensbildung benötigt, das aus?), und drittens für die professionellen Medien (wie lange halten die Medien und deren Finanzierung, Nutzung und Vertrauensbasis das aus? Und welche dringenden systemischen und operativen Handlungsfelder leiten sich daraus ab?).

Vom dualen zum kooperativen Mediensystem

Die Handlungsfelder der Medien liegen am Tisch und präsentieren sich entlang der akuten wirtschaftlichen (Existenz-Sicherung) und gesellschaftlichen (Demokratie-Sicherung) Notwendigkeiten. Die zentrale Bruchlinie für ein Mediensystem eines europäischen Landes in einer liberalen Demokratie liegt nicht mehr zwischen privaten Publishern versus öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern liegt zwischen national tätigen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen versus global agierenden Big-Tech-Plattformen. 

Diese Abgrenzung beinhaltet schlichtweg als essenzielle Differenzierungsleistung das Wesen von unabhängigem Journalismus (Quellen-Vielfalt, Quellen-Glaubwürdigkeit, Kritik und Aufklärung) und das Geschäftsmodell von professionellen Medien (Paid Content, Rechtssicherheit, Public Value in privatem oder öffentlich-rechtlichem Auftrag).
Neben der notwendigen europäischen Regulatorik von globalen Plattformen in den Bereichen AI und Leistungsschutzrecht zur (Wieder-)Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Medien-Ökosystems benötigt das professionelle Mediensystem ein neues Betriebssystem aus sich selbst heraus. 

Der Modus Operandi dieses neuen Betriebssystems lautet: Kooperation. Die Idee des kooperativen Mediensystems greift eine simple Logik auf: Plattform-Technologien haben die Geschäftsmodelle und das Mediennutzungsverhalten massiv verändert und die Phänomene von (KI-)Desinformation in den digitalen Räumen der Informationsgesellschaft groß werden lassen. Damit bedarf es neuer Technologien und Digital-Lösungen, um diesen Phänomenen entgegenzuwirken und den Userinnen und Usern neue Antworten und Werkzeuge zu geben. 

Diese Antworten und Werkzeuge müssen jetzt zwingend von den Qualitäts-Medien und -Agenturen im Schulterschluss aufgebaut und betrieben werden: in kooperativer Eigentümerschaft, in autonomer Steuerung und Kontrolle und im Open-Source-Angebot. 

Eine kurze Auswahl an Handlungsfeldern im Bereich Technologie:
GPT-Austria: ein medienübergreifendes Angebot für Userinnen und User von transparenten und rechtssicheren KI-Medien-Chatbots
Shared-Infrastructure: geteilte IT-Infrastrukturen und IT-Betriebslösungen für Medien
Media-Lab: ein medienübergreifendes Innovationsmanagement mit einem kooperativen Zukunftsfonds zur Finanzierung von Tools für Fake-News-Erkennung
Der Modus Co-Operandi als zukünftiges Betriebssystem für den österreichischen Medienstandort – darauf freue ich mich.

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