Bürokratische Fesseln
 
            
            Von Herta Scheidinger
Österreich kämpft um seine Wettbewerbsfähigkeit, die Konkurrenz am internationalen Markt wird härter. Flexibilität und schnelles Reagieren auf sich ändernde Herausforderungen und Marktbedürfnisse sind gefragt – doch immer mehr Unternehmen klagen über lähmende Bürokratie.
Komplexe Vorschriften, lange Genehmigungsverfahren – die oft Monate oder Jahre dauern – und widersprüchliche Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bremsen Innovation und Investitionen.
Besonders kleine und mittlere Betriebe, kämpfen sich durch einen Dschungel aus Formularen und Auflagen, die wertvolle Zeit und Ressourcen binden. „Eine Studie des Economica-Instituts hat berechnet, dass Unternehmen im Durchschnitt über 2,5 Prozent ihrer Umsatzerlöse alleine für die Einhaltung bürokratischer Vorschriften ausgeben.
Insgesamt erreichen die Bürokratiekosten für Industrie und Wirtschaft in Österreich eine Größenordnung von über zehn Milliarden Euro!“, erklärt Christian C. Pochtler, Präsident der Industriellenvereinigung Wien, die Situation der Unternehmen.
Mut zur Vereinfachung
Während andere europäische Länder ihre Verwaltungsprozesse digitalisieren und vereinfachen, bleibt Österreich in überbordender Bürokratie stecken. Die Folge: weniger Wettbewerbsfähigkeit, ausbleibende Gründungen und ein Rückstau an Projekten. Um nachhaltiges Wachstum zu sichern, braucht es dringend Mut zur Vereinfachung – klare Regeln, raschere Entscheidungen und mehr Vertrauen in unternehmerische Eigenverantwortung statt lähmender Kontrolle.
Das bestätigt auch Pochtler: „In der derzeitigen, schwierigen Situation muss alles getan werden, um unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder zu stärken und Unternehmen zu entlasten. Die Abschaffung überbordender Regularien gehört hier zu einem der zentralen Hebel.
Doch nicht nur der Staat, auch die Arbeitgeberseite muss altes Gerümpel aus dem Weg räumen. Wirklich gute Reformen müssen alle treffen – aber am Ende auch allen zugutekommen.“
Ohnehin sollte jede Reform – und Reformen brauchen wir in Österreich ganz allgemein in zahlreichen Bereichen – mit der Entrümpelung von Vorschriften, Verordnungen und Gesetzen beginnen, um die unternehmerischen Kräfte freizusetzen und auch über künftige neue Strukturen (z. B. Sunset-Legislation, neue Gewerbeordnung …) nachzudenken, betont der Präsident der IV Wien.
Über die Grenzen hinaus
Auch auf EU-Ebene gilt es Regularien und bürokratische Hürden dringend abzubauen. Pochtler: „Wir befinden uns im Wettbewerb mit der gesamten Welt – und legen uns ständig unnötigerweise selbst Steine in den Weg.”
Über Entbürokratisierungen könnte man die Unternehmen rasch entlasten, da sie sofort greifen und dem Staat keine Mehrkosten verursachen. Insofern sollte es hier keinen großen Diskussionsbedarf darüber geben, dass die Potenziale in diesem Bereich rasch und nachhaltig gehoben werden müssen.
Gerade für international tätige Unternehmen ist beispielsweise das Arbeitsrecht bei internationalen Mitarbeitereinsätzen ein Kraftakt: Zwei Lohnverrechnungen, doppelte Zeiterfassung – alles teuer und ineffizient. „Auch die starre Arbeitszeitdokumentation ist nicht mehr zeitgerecht. Eine Erleichterung grenzüberschreitender Einsätze sowie die Stärkung der Vertrauensarbeitszeit wäre hier ein Schritt in die richtige Richtung“, so Pochtler.
Ein weiteres großes Problem für international tätige Unternehmen stellen auch die Berichtspflichten dar, Pochtler erklärt dazu: „Unterschiedliche nationale Vorschriften führen hier dazu, dass beispielsweise Nachhaltigkeitsberichte in mehreren Sprachen erstellt werden müssen, Plattformen sind nicht verbunden, wodurch viele Daten mehrfach eingetragen werden müssen.
Hier wäre eine EU-weite Harmonisierung der Berichtsformate hilfreich, ebenso das Schaffen digitaler Schnittstellen und die automatisierte Datenübernahme aus bestehenden Registern.“
Belastete Bauwirtschaft
Die zunehmende Regulierungsdichte stellt auch für die Bauwirtschaft eine Herausforderung dar. Viele der neuen Vorschriften – insbesondere im Bereich Energieeffizienz und Dämmung – sind in der Praxis schwer umsetzbar. „Die strengen Vorgaben, vor allem bei der Energieeffizienz und den U-Werten, treiben die Baukosten in die Höhe und verringern teils die Wohnfläche.
Diese Mehrkosten müssen Käufer tragen oder sie müssen an anderer Stelle eingespart werden“, erklärt Hubert Wetschnig, CEO der HABAU Group.
Planungsunsicherheit
Ein zentrales Problem für die Bauwirtschaft stellt auch die ständige Veränderung der regulatorischen Rahmenbedingungen dar, die zu erheblicher Planungsunsicherheit in der Branche führt, wie
Wetschnig betont: „Die EU-Taxonomie und die EU-Gebäuderichtlinie 2024/1275 setzen ambitionierte Ziele, die über nationale Anforderungen hinausgehen.
So müssen Gebäude etwa zehn bis 20 Prozent effizienter als national vorgeschrieben sein, um als „grün“ zu gelten.” Das bedeutet jedoch zusätzlichen Planungsaufwand und höhere Kosten.
Landesbauordnungen
Dazu kommen Hindernisse durch die verschiedenen Landesbauordnungen. Die föderale Struktur mit neun unterschiedlichen Landesbauordnungen erschwert die Arbeit für überregional tätige Bauunternehmen.
Trotz der OIB-Richtlinien, die eine Harmonisierung anstreben, dürfen Bundesländer abweichen – was zu Planungsunsicherheit und erhöhtem Koordinationsaufwand führt. „Unterschiedliche Regelungen zu Abstandsflächen, Bauhöhen oder Genehmigungsverfahren machen Projekte unnötig komplex.
Wenn wir leistbares Wohnen ermöglichen wollen, müssen wir zwischen notwendigem Schutz und überhöhtem Komfort differenzieren“, ist Wetschnig überzeugt. Auch mit weniger Vorschriften kann man qualitativ hochwertige und gleichzeitig kostengünstige Gebäude errichten, ist er überzeugt.
Politik ist gefordert
Wichtig wäre aus Sicht der Bauwirtschaft eine Politik, die stärker unternehmerisch denkt und Rahmenbedingungen schafft, die den Wohnbau wieder in Bewegung bringen.
Der freifinanzierte Wohnbau ist derzeit nahezu zum Erliegen gekommen, weshalb kostendeckende Maßnahmen notwendig sind. „Dazu zählt natürlich auch eine Entbürokratisierung. Wichtig ist meiner Meinung nach auch die Finanzierung der Gemeinden, die ohne zusätzliche Mittel keine Bauprojekte mehr realisieren können. Diese benötigen wir aber, weil ich nicht davon ausgehe, dass der Wohnbau vor Ende 2026 wieder anspringt“, so Wetschnig abschließend.
Herta Scheidinger
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