Wie diskriminiere ich richtig?
Von Wolfram Kautzky
„Das ist eine Diskriminierung!“, entrüstet sich der junge Mann, der ein Kapperl auf- und ein zerrissenes Leiberl anhat. Grund seiner Erregung: Er wird wegen seines Outfits nicht ins Theater eingelassen.
Allerdings irrt er: Er wird nicht deshalb abgewiesen, weil ausgerechnet er ein Kapperl und ein Flickleiberl anhat, sondern weil generell alle Kapperl- und Flickleiberlträger nicht eingelassen werden – ein klassisches Beispiel für den oft missverstandenen Gleichheitsgrundsatz.
Eine Diskriminierung würde dann vorliegen, wenn Kapperlträger Nr. 1 eingelassen würde, Kapperlträger Nr. 2 (obwohl er vielleicht sogar ein schöneres Kapperl aufhat) allerdings nicht.
Das lat. Wort discrimen bedeutet „Scheidelinie, Scheidewand“ (z. B. zwischen zwei Häusern), davon ausgehend im übertragenen Sinn auch „Unterschied, Unterscheidung“. Wer diskriminiert, behandelt also andere ungleich.
***
Freilich, ungleich behandelt fühlt sich heute so gut wie immer jemand: der preisbewusste Economy-Class-Passagier, weil er im Gegensatz zum großkotzigen Herrn in der Business Class nichts zu essen bekommt; die Uni-Studierenden, weil sie nicht das leider für die Gleichbehandlungskommission reservierte WC benützen dürfen; vielleicht ja auch der Pudel, weil ihm die Natur nicht dieselbe Größe wie der überdimensionierten Nachbarsdogge geschenkt hat.
***
Unlängst war an dieser Stelle vom „Heiligen Bimbam“ die Rede. Bei ihm handelt es sich um einen Ausdruck des Erschreckens, dessen Name vom Klang der Kirchenglocken (und nicht der Straßenbahn) abgeleitet ist. Wie berichtet, ersparte dieser rechtzeitig geäußerte Ausruf im konkreten Fall einer Flugzeugpassagierin den Griff zum „Sickness Bag“. Als Augen- und Ohrenzeuge war der Wortklauber hocherfreut: Er konnte ein unbenütztes Speibsackerl von Bord schmuggeln und seiner Sammlung hinzufügen. Somit fühlte er sich trotz des fehlenden Essens in der Economy Class alles andere als diskriminiert.
Fundstück der Woche: „Die Skiregion Hochkönig öffnet mit Saisonstart am 5. Dezember auch die neue Familien-Erlebnispisse ,Family Run Hochkönig‘ – von der Zapferl Alm in Mühlbach führt sie 2,5 km ins Tal.“ (KURIER) – Ob sich’s nicht doch um die Zipferl Alm handelt?
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
Am Freitag, 12. Dezember, um 18.30 stellt der Autor sein neues Buch „Wortklauberei 2“ mit 50 weiteren Kolumnen (m Seifert Verlag) in der Buchhandlung Thalia Wien Mitte (1030, Landstraßer Hauptstraße 2) vor. Einleitende Worte wird KURIER-Herausgeberin Martina Salomon sprechen.
Kommentare