Ist die Barzahlung barer Unsinn?

Dr. Martin S., selbsternannter Sprachpurist, ist wieder einmal fündig geworden. „Rechnung nur in Bar zu bezahlen“ ist kleingedruckt auf der Speisekarte des Ristorante zu lesen. „Wieso soll ich zum Zahlen in eine Bar gehen?“, rätselt Dr. S. Zu Recht, denn wer weiß schon , wo sich das nächste derartige Etablissement überhaupt befindet? Tatsächlich will der Wirt, vermutet Dr. S. nach einigem Nachdenken messerscharf, lediglich zum Ausdruck bringen, dass der bemitleidenswerte Kunde bei ihm (aus welchen Gründen auch immer…) nur bar, also nicht mit Kreditkarte zahlen darf.
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Doch warum heißt die Nichtkreditkartenzahlung eigentlich Barzahlung? Das Adjektiv „bar“ begegnet am häufigsten in Zusammensetzung wie „barfuß“, „barhäuptig“ oder „barbusig“. In diesen Fällen bedeutet „bar-“ so viel wie „unbedeckt“, „nackt“. Wer also bar jeglicher Vernunft ist, ist schlichtweg unvernünftig. Im Zusammenhang mit Geld und Abgaben hat sich auch die Spezialbedeutung „offenliegend“, „frei verfügbar“ durchgesetzt – Bargeld ist folglich das sofort verfügbare Geld.
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Einen komplett anderen Ursprung hat hingegen die Bar, also das Nachtlokal. Dieses Wort wurde im 19. Jh. aus englisch „bar“ entlehnt, das zunächst Stange bedeutete (vgl. Barren), später eine aus mehreren Stangen bestehende Schranke. Solche Schranken dienten in Lokalen oft dazu, die Schank von Gastraum abzutrennen, also eine „Barriere“ zu bilden – womit wir bei der Lokalität namens „Bar“ wären.
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Als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, begegnet uns „bar“ auch noch als Suffix, also als Anhängsel. Sicht-bar, hör-bar etc. sind wunder-bare Beispiele dafür, was diese Nachsilbe zum Ausdruck bringt: nämlich dass etwas gemacht werden kann (sichtbar = etwas kann gesehen werden, hörbar = etwas kann gehört werden etc.).
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Was lernen wir also daraus? Achten Sie stets auf den Unterschied zwischen -bar, bar und Bar – schließlich macht es einen Unterschied, ob Sie animierbar oder in einer Animier-Bar sind (und dort vielleicht auch noch zur Barzahlung gezwungen werden, obwohl Sie bar des Bargelds sind).
Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.
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