Von Schilden, Schildern und Schildbürgern

Wolfram Kautzky geht in der Kolumne "Wortklauberei" den Wörtern auf den Grund.
Wolfram Kautzky

Wolfram Kautzky

In einem Bericht wird Verteidigungsministerin Tanner so zitiert: Die Teilnahme am Sky Shield dürfe nicht missverstanden werden. „Das heißt nicht, dass wir dann unsere aktive Luftraumüberwachung nicht mehr durchführen müssen. Ganz im Gegenteil: Das eine zu machen und das Schild darüber mit den anderen Staaten, das wird wichtig sein, um eben auch für solche Bedrohungen gerüstet zu sein.“ (APA, 28. 1. 2023)

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Sollten Sie nach politischen oder militärischen Fehleinschätzungen Ausschau gehalten haben, liegen Sie falsch. Der Lapsus liegt, dem Kolumnentitel entsprechend, in einem einzigen Wort, nämlich im Artikel des Wortes Schild („… und das Schild darüber…“). Irrtümlich wird das Nomen „Schild“ meist für sächlich gehalten. Tatsächlich existieren aber zwei unterschiedliche Wörter: das Verkehrs- oder Hinweisschild (Plural: die Schilder) und der Schutzschild (Plural: die Schilde). Im oben genannten Zitat müsste es also korrekterweise „… und der Schild darüber mit den anderen Staaten…“ heißen. Es sei denn freilich, dass es sich beim European Sky Shield um kein Raketenabwehrsystem, sondern um eine Hinweistafel mit der Aufschrift „Achtung, Raketen!“ handeln sollte.

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Den maskulinen Schild finden wir übrigens auch in der Redewendung „etwas im Schilde führen“, also etwas Böses planen, wieder. Die stammt aus dem Mittelalter, als die Kämpfer noch in Rüstungen steckten und in Ermangelung von Mienenspiel ihre Absichten nur durch auf ihrem Schild angebrachte Abzeichen und Wahlsprüche kundtun konnten. – Eine andere sprachliche Herkunft hat hingegen der Schildbürger. Die Bezeichnung bezieht sich auf die fiktive Stadt Schilda, deren Bewohner durch besondere Dümmlichkeit in Erscheinung treten, wie in einem Schwänkebuch aus dem 16. Jh. berichtet wird. Dementsprechend werden unsinnige Handlungen noch heute als „Schildbürgerstreiche“ bezeichnet.

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Apropos: Auf einer Zusatztafel zu einem Fahrverbotsschild entdeckte Ihr Wortklauber vor Kurzem die Aufschrift „Reiter im Schritt frei“. Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens manche die Hosen anlassen.

Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.

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