Wirre Wirklichkeit

Wirre Wirklichkeit
Klaus Eckel über krankhaftes Aufschiebeverhalten.

Meiner Selbsteinschätzung nach bestehe ich zu 10 Prozent aus Wasser und zu 90 Prozent aus Ausreden. Deswegen besuchte ich neulich eine psychologische Tagung und lauschte einem Vortrag über Prokrastination.

Ein Vortragender erzählte, dass ihn jahrelang, wenn er bei einem Wäschekorb mit nicht gebügelter Kleidung vorbeiging, das schlechte Gewissen plagte. Bis vor wenigen Wochen das im Wäschekorb befindliche Gewand tatsächlich zu ihm sprach. Laut seiner Aussage riefen ihm die Kleidungsstücke zu: „Wir sind noch nicht bereit, gebügelt zu werden!“. Ich kippte vor Lachen fast vom Stuhl. Leider als Einziger.

Der Rest des Publikums lauschte weiter gespannt den Ausführungen des Hosenflüsterers. In einem Nebensatz erwähnte der Anti-Aufschiebungs-Guru, dass er jetzt die früher verschwendete Bügelzeit zum Pilzesammeln nutze. Da dürfte ihm wohl einige Male statt einem Parasol ein Magic Mushroom ins Körbchen gerutscht sein. Doch die Idee ist genial. Das Erledigen meiner Buchhaltung habe ich jetzt um einen weiteren Tag verschoben. Bereits nach einer Flasche Muskateller sprachen die Belege zu mir: „Wir sind noch nicht bereit, gelocht zu werden“.

Die Realität ist sowie so nur ein Vorschlag. Ich habe die Quantentheorie zwar ähnlich gut verstanden wie Viktor Orbán den Begriff Pressefreiheit, doch eines habe ich mir gemerkt. Die Beobachtung beeinflusst den Gegenstand. Für mich hat sich seitdem jeder Depp zum Quanten-Depp weiter entwickelt. Er ist nur ein Depp, so lange ich hinschaue. Im Straßenverkehr ist diese Einstellung durchaus hilfreich. Und vielleicht gibt es auch auf der ganzen Welt keinen einzigen dummen Menschen, sondern nur Gehirne, die ihren Besitzern unentwegt zuflüstern: „Ich bin noch nicht bereit, verwendet zu werden“.

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