Wiener Waagen. Poesie

Von der Poesie des Ablaufdatums: Ein Buch über das Verschwinden im öffentlichen Raum öffnet einem die Augen.
Uwe Mauch

Uwe Mauch

Im Wiener sonderzahl-Verlag erschien vor Kurzem der Foto-Essay-Band wiener waagen, herausgegeben von der schule für dichtung. Alleine der Untertitel rechtfertigt den Kauf des Buchs: von der poesie des ablaufdatums.

Tatsächlich haben die Waagen, die einst im öffentlichen Raum der Stadt aufgestellt wurden, damit die Wiener und Wienerinnen für einen Schilling oder so ihr Körpergewicht eruieren konnten, ein Ablaufdatum. Vielleicht hätte man sie mit Facebook oder anderen Selbstgefälligkeitsplattformen vernetzen sollen. Aber so? Werden sie maximal ignoriert.

Und man kann diese Poesie des Ablaufdatums unendlich lang fortschreiben: Wann haben Sie das letzte Mal von einer öffentlichen Telefonzelle aus angerufen? Wann sind Sie das letzte Mal im Raucherabteil eines Schnellbahnzugs gesessen (nicht lachen: Wenn der Vizekanzler davon Rauchzeichen bekommt, führt er auch wieder Raucherzüge ein)?

Wann, wo haben Sie Ihren letzten Schilling ausgegeben? Wann haben Sie das letzte Mal auf echtem Resopal gespeist? Das letzte Mal einen „Doppler“ Veltliner geschnupft, gesehen? Das letzte Mal eine Postkarte oder einen Brief geschrieben? Ein Buch von Anfang bis Ende gelesen? Und wann haben Sie das letzte Mal einen echten Tankwart in der Stadt erspäht?

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