Wer braucht weniger?

Wer braucht weniger?
Klaus Eckel über das Fasten und unser Leben als Verzichtsexperten.

Mittlerweile sind wir alle Verzichtsexperten geworden. Elternsprechtage, Gasthäuser, Umarmungen (Sympathie in aufsteigender Reihenfolge). Das ist alles schon so lange her, dass meine Erinnerung daran, nur noch in Schwarz-Weiß ist. Da das Wort Verzicht von seiner Sexyness dem Wort Darmspiegelung ebenbürtig ist, haben Trendgurus vor Jahren den Begriff Detox aufs Podest gehoben. Das ist dasselbe, nur kann man damit Geld verdienen.

Nichts Essen macht erst Freude, wenn es im kargen Zimmer eines Benediktinerklosters für 1.500 Euro pro Woche stattfindet. Jesus hat noch das Brot geteilt, dort teilt man sich nur noch den Hunger. Vielleicht müsste heutzutage, ein moderner Jesus, seine Apostel am Gründonnerstag zum letzten Dinner Cancelling zusammen trommeln. Irgendwo zwischen fünften Lockdown und der zweiten Osterruhe habe ich mich auch einmal im 16 : 8 - Intervallfasten versucht. Nach vier Tagen habe ich die Nahrungsaskese abgebrochen. Die Familie behauptet, dass sich meine Laune asynchron zu meiner Essensaufnahme verhält. Mein in der fünfzehnten Hungerstunde ins Telefon gebrüllter Satz: „Mich macht Fasten ausgeglichen, du Idiot!“ dürfte diesen Verdacht bestätigen. Das Intervallfasten entschlackt hauptsächlich den Freundeskreis.

Doch eine Tendenz ist unübersehbar. Hat man in früheren Jahren noch stolz sein Haben präsentiert, erreicht man mittlerweile Statusgewinn durch gelebtes Auslassen. Reisen ohne Fliegen, Kipferl ohne Gluten, Autos ohne Tankdeckel. Apokalyptiker warnen bereits vorm Hausbau ohne Schwarzarbeit und Vorstandsbestellungen ohne Emojis. Doch ich möchte die erhitzten Gemüter gleich beruhigen, einige Trendforscher wittern bereits einen Gegentrend: Dem Verzichtverzichten. Eine gute Nachricht für Österreich. Wir bleiben, wie wir sind, und sind damit der Zeit voraus.

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