Ein Sommerregen macht aus Urlaub eine Reise
Von meinem Urlaubssteg am Wolfgangsee brauchte ich zehn Schwimmminuten zur entferntesten Boje. Dabei kam ich an zwei Booten vorbei, die an anderen Bojen festgemacht waren. Meine Ziel-Boje war nie belegt, dafür knallorange. Sie dient als Begrenzung der Bootsliegefläche, hinter ihr tut sich der Wolfgangsee auf wie der Atlantische Ozean, nur mit Bergen rundherum. Immer wieder habe ich überlegt, in das endlose Türkisblau weiterzuschwimmen, aber immer bin ich rund um die Boje und wieder zurück zu meinem Steg geschwommen.
Einmal setzte ein Regen ein, als ich zu meinem Steg kam. Das erinnerte mich daran, dass Reisen erst dort beginnt, wo etwas schief geht. Es gibt einige Parameter, an denen man die Abgrenzung von Urlaub und Reise festmachen kann, aber mir kommt besonders vor, dass Urlaub ist, solange die Planung hält und die Vorstellungen erfüllt werden. Das Reisegefühl entsteht hinter dem Unerwarteten, dem Schicksalhaften. Also stieg ich ins Wasser und steuerte brustschwimmend die knallorange Boje an.
Bis zum ersten Boot fielen mir Belege für meine Theorie ein: Wenn man sich etwa auf ein Essen in einem Lokal sehr freut: Ja, heute gehen wir zu diesem Wirten da am Wasser, der soll die beste Forelle haben – und dann sagt die Kellnerin: Forelle ist leider aus. Grollend, aber hungrig greift man zur Speisekarte, die man gar nicht gebraucht hätte, und taucht in das Kaleidoskop der Spezialitäten des Hauses, regionaler Schmankerl und Geheimnissen aus Omas Kuch’l. Oder wenn man zu einer langen Wartezeit auf Bus, Zug oder Flieger verdammt ist, aber in ein Gespräch mit dem Jemand stolpert, der sich genauso ärgert: Geh bitte, ja echt, also immer das Gleiche – gemeinsamer Ärger ist extrem verbindend.
Oft (zugegeben: wirklich nicht immer) kommt man aus solchen Gesprächen gescheiter oder beseelter raus, als man vorher war. Oder wenn man an einem Ort hängen bleibt, den man durchfahren wollte, Stichwort Autopanne, und plötzlich steht man da im Heimatmuseum Kleinschnulzendorf und denkt sich Ah und Oh und Schau dir was an.
Beim zweiten Boot war der Regen stärker geworden und trommelte wie ein Militärmarsch auf meinen Kopf. Nässe von oben ist etwas anderes, aber gleichzeitig war der Regen wärmer als der See. Das ist schon auch eine besonders schöne Stimmung zum Schwimmen, dachte ich mir, warum gilt Baden eigentlich als Beschäftigung für trockene Tage, das Geprassel harmoniert ganz hervorragend mit dem Gesamterlebnis.
Ich schwamm an der Boje einfach geradeaus vorbei, in den weiten See, der von Abermillionen Tropfen attackiert wurde.
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