Lieber Herr U.,
wenn Sie Ihren Mitarbeitern in der Vergangenheit immer einen Gutschein zu Weihnachten gewährten, haben Ihre Mitarbeiter grundsätzlich auch heuer wieder einen Anspruch darauf.
Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung begründet ein Arbeitgeber nämlich eine sogenannte betriebliche Übung, wenn er bestimmte Leistungen regelmäßig und vorbehaltlos an die Gesamtheit (oder eine bestimmte Gruppe) seiner Arbeitnehmer gewährt.
Die Rechtsprechung hat aber bereits die zweimalige vorbehaltlose Auszahlung als ausreichend anerkannt. Ausschlaggebend ist, welchen Eindruck Ihre Mitarbeiter bei sorgfältiger Überlegung von Ihrem Erklärungsverhalten haben durften. Ob Sie sich mit der Ausgabe der Gutscheine tatsächlich auch für die Zukunft verpflichten wollten, spielt keine Rolle.
Wenn Sie die Weihnachtsgutscheine Ihren Mitarbeitern in der Vergangenheit daher jedes Jahr gewährt haben, so gehe ich davon aus, dass im konkreten Fall tatsächlich bereits eine betriebliche Übung entstanden ist. Oder gab es bei der Gewährung irgendwelche Vorbehalte? Haben Sie z. B. darauf hingewiesen, dass die Gutscheine nur unverbindlich ohne Rechtsanspruch für die Zukunft oder widerruflich an die Arbeitnehmer ausgegeben werden?
Ohne einen solchen Vorbehalt ist jedenfalls die Zustimmung eines jeden einzelnen Arbeitnehmers erforderlich, um den Anspruch zu beseitigen. Aufgrund der im Arbeitsrecht entwickelten „Drucktheorie“ muss dabei zudem gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer die Vereinbarung aus eigener, freier Entscheidung eingeht, und nicht auf Ihren Druck hin; andernfalls wäre die Vereinbarung unwirksam.
Stimmt der Arbeitnehmer der vorgeschlagenen Änderung seines Arbeitsvertrags nicht zu, so kann die Zustimmung – gewissermaßen als „letzte Möglichkeit“ – mittels Änderungskündigung erzwungen werden.
In Bezug auf Neueintritte ist die Situation deutlich einfacher. Hier besteht die Möglichkeit, für alle künftig – also ab einem bestimmten Stichtag, beispielsweise ab 1. Jänner 2024 – neu eintretenden Mitarbeiter keine Weihnachtsgutscheine mehr auszugeben. Eine solche Stichtagsregelung ist auch aus gleichbehandlungsrechtlicher Sicht unproblematisch.
Wichtig ist, die Änderung ausdrücklich zu kommunizieren und am besten schriftlich festzuhalten; und zwar sowohl generell z. B. im Intranet oder einem Rundschreiben als auch individuell im Arbeitsvertrag mit den Neueintritten. Bei ihnen darf also nicht der Eindruck entstehen, sie würden die Weihnachtsgutscheine ebenfalls erhalten (so wie dies bisher bei allen anderen Arbeitnehmern der Fall war).
Mag. Lisa Kulmer ist Counsel und Expertin im Arbeitsrecht bei DORDA.
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