Probier doch wenigstens

Probier doch  wenigstens
Klaus Eckel über Essen mit Kindern, oder wie Ernährungsempfehlungen ins Leere gehen.

Beim Eissalon. Tochter: „Wie viel Kugeln darf ich?“ Ich: „Egal, du weißt, was dir guttut.“ Tochter: „Nein! Sag eine Zahl!“ Ich: „Okay, zwei.“ Tochter: „Was! Nur zwei? Sieben!“ Ich: „Aber sieben? Das sind doch mindestens um fünf zu viel!“ Tochter: „Niemals!“ Wir einigten uns auf vier, von denen meine Tochter zwei stehen ließ. Ich: „Aber, du wolltest doch ...“ Tochter: „Mir schmecken nur die Kugeln, die ich gegen dich raus verhandle.“

Da war er, mein Werner-Kogler-Moment. Ich wurde von jemanden viel Jüngeren über den Tisch gezogen. Bei meinem Sohn verlaufen meine Ernährungsempfehlungen auf ähnliche Weise. Er isst kein Grünzeug, außer Brokkoli. Diesen verschlingt er, seit ich ihm erklärt habe, dass es sich dabei um kleine Bäume handelt. Mit der Gier, mit der er jetzt ganze Brokkoli-Wälder in seinem Mund schmatzend vernichtet, steht zumindest eines fest: Bei den Naturfreunden brauche ich ihn nicht anmelden. Die Ernährungsvorlieben der Kinder sind mein Waterloo. Mittlerweile gilt bei uns zu Hause Schinken-Käse-Toast als Gemüse und Bananen-Split als Obst. Meine Eltern fütterten mich noch mit der Moralkeule. „Die Kinder in Afrika wären dankbar über dieses Essen.“ Dieser Satz veranlasste mich einst, die Krautfleckerl meiner Mutter in Luftpolsterkuverts zu stopfen und ausreichend frankiert in die Städte Mombasa, Mogadischu und Ouagadougou zu senden. Einen Dank erhielt ich bis heute nicht.

Inzwischen haben sich in den meisten europäischen Restaurants die Kinderspeisekarten synchronisiert. „Fischstäbchen, Chicken Nuggets, Spaghetti Bolognese“. Die kulinarische Dreifaltigkeit. Durch unermüdliches auf den Boden werfen und lautes „Ich will das nicht!“ hat unser Nachwuchs seine Interessen durchgesetzt. Vielleicht hätte das Werner Kogler auch versuchen sollen.

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