Parradox: In der Pulli-Falle

Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl
Wer gemeinsam zum Kleidungskauf ausrückt, wird am Ende hoffentlich die richtigen Farbenlehren ziehen – zwischen grauem Alltag und rosaroter Brille.

SIE

Vergangene Woche habe ich ja in Aussicht gestellt, vertiefend über das Arbeitsprojekt Wir kaufen Pullis und Hemden für den Mann nebenan und tun so als wär’ das normal zu berichten. Eben, weil es bei uns nicht normal ist. Der Mann nebenan konnte natürlich gar nicht nachvollziehen, warum darüber noch etwas geschrieben werden muss, aber bitte. Ich jedoch bin bis heute überzeugt: Es musste. Vor allem der Psychohygiene wegen. Die Tochter meinte außerdem: sehr chillig! Vor allem, weil sie den Papa und mich irgendwie komisch findet. Na, dann.

Ein bisserl umschauen

Da stand er und probierte die siebente schwarze Jacke, die genau so aussah wie die sechs anderen Jacken davor: schwarz, schlicht, zeitlos – und eine „schlanke Silhouette machend“. Ich fand das irgendwie langweilig, daher begann ich mich ein bisserl umzuschauen. Dabei fielen mir quasi wie von selbst einige Herrenpullis und Hemden in die Hände, die er gleich einmal mit folgendem Satz kommentierte: Die kannst gleich wieder zurücklegen, was soll ich damit? Worauf ich meinte: Probieren! Was er dann auch tat, aber nur, weil die Tochter meinte: Paps, alle deine Pullover schauen so mega 80er aus. Nun folgte seinerseits eine Armada an Argumenten, warum er dieses und jenes Stück ganz sicher nicht kaufen würde: zu rosa, zu bunt, zu auffällig, zu kratzig, zu das bin doch nicht ich! Detto die ganzen Hemden: Ganz ehrlich jetzt, in dem Ding wird mich jeder fragen, ob ich meine Glatze eh täglich mit handgepresstem Avocadoöl massiere und wer länger im Bad braucht: ich oder meine Frau? Also blieben wir, wie immer, bei seinem guten, alten Kaufverhalten: blaue und graue Pullis zu blauen und grauen Hemden zu schwarzer Jacke, die schlank macht. Ja, wenigstens darauf ist Verlass.

„Schatzi, geht’s noch?“: 11. 11., 10. und 27. 1. im Rabenhof; 14. 11. Himberg;

23. 11. Weinwerk Neusiedl; 30. 11. Klosterneuburg; 7. 12. Vöcklabruck.

gabriele.kuhn@kurier.at

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ER

Als wir für unser neues Paaradox-Programm die Outfit-Frage zu klären versuchten, posierte ich in einem rosa Hemd und erklärte, dass ich auf diese Weise einen Hauch jugendlicher Leichtigkeit auf die Bühne bringen wolle. Der Blick von gnä Kuhn – irgendwo zwischen Amusement und Entsetzen  – nahm ihre Antwort vorweg: „Schatzi, geht’s noch?“ Und so war quasi auch der Titel für die Show geboren. Denn im nächsten Augenblick offenbarte sie mir mit unüberhörbarem Spott, dass weder Jugendlichkeit noch Leichtigkeit zu jenen Attributen zählen würden, die ihr zu meiner Persönlichkeit spontan einfielen. Am Ende wurde es ein graues Hemd, mit dem ich mir ihren Sanktus einholte. Weil sie mir verlässlich seit dem Tag meines 30. Geburtstags zu jeder etwas gewagten Kleidungsidee den lapidaren Satz entgegenschleudert: „Geh’ bitte, du bist doch nimmer 29.“

Rachegedanke

Aber kaum begleitet uns die Tochter in die (prinzipiell dramatisch überhitzte) Modeabteilung, wo ich schon im Moment der Ankunft „Bitte holt mich hier raus“ schreien will, ist alles anders. Da stimmt die Liebste plötzlich fröhlich ein in den Chor: „Dein Leben braucht mehr Farbe.“ Als würde mir mein  Alltag mit den zwei Herzensdamen nicht ohnehin ständig zu bunt werden. Folglich überboten einander Frau und Kind mit Hemden- und Pulli-Vorschlägen, und ich war mir irgendwann nicht mehr ganz sicher, ob sie sich nicht nur einen Jux mit dem in seiner Einfachheit so komplizierten Mann machen wollten. Aber tief in mir entwickelt sich schon längst ein Rache-
gedanke, der grellgelb oder speibgrün ist. Und völlig unerwartet werde ich eines Tages als bunter Vogel an ihrer Seite z. B. in einem Lokal – im wahrsten Sinn des Wortes – erscheinen. Und je mehr sie sich für mich genieren, desto  besser wird’s mir schmecken.


Solo-Programm „Abend mit einem Mannsbild“:
20. 11. Wien, Haus des Meeres, 9. 12. Wien, Studio Akzent

 

michael.hufnag@kurier.at

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