Lesestoff (2)

Über den literarischen Genuss des Telefonbuchs
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

„Sie lesen im Telefonbuch?“, fragt ungläubig Leserin B. nach der Erzählung  über die unverhoffte Zustellung eines solchen. 
Ja, schon das Branchenverzeichnis ist ein literarischer Genuss: Der Eintrag Schokoladewaren kommt unmittelbar vor Schönheitsfarmen  und Tierärzte vor Tierbestattung – das könnte man dramatischer nicht erdichten. Zwischen   Ergotherapie und  Esoterik verstecken sich die Escortservices.  Apropos:  Sollte mal was mit den Wasserbetten sein,  folgt gleich  der Berufsstand der  Wasserschadensanierung. Der Berufsstand mit den meisten Seiten  im Buch ist  übrigens die Psychotherapie.
Und dann die Namenseinträge. Schon der große Georg Kreisler witzelte einst in der „Telefonbuchpolka“ über die oft böhmische Herkunft der Wiener (Vondrak, Vortel, Viplaschil, Voytech, Vozzek, Vimladil…). Die hat sich erweitert, die Doppelseiten reichen von Dekanovsky zu Despotovic, von Kemelbekov zu Khalifeh, von Mihajlovic zu Milosavljevic. (Vondrak gibt’s zum Glück auch noch, mit V und mit W).
Das alles erführe man nicht,  läse man nicht im Telefonbuch.

andreas.schwarz@kurier.at
 

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