Lesestoff (2)
„Sie lesen im Telefonbuch?“, fragt ungläubig Leserin B. nach der Erzählung über die unverhoffte Zustellung eines solchen.
Ja, schon das Branchenverzeichnis ist ein literarischer Genuss: Der Eintrag Schokoladewaren kommt unmittelbar vor Schönheitsfarmen und Tierärzte vor Tierbestattung – das könnte man dramatischer nicht erdichten. Zwischen Ergotherapie und Esoterik verstecken sich die Escortservices. Apropos: Sollte mal was mit den Wasserbetten sein, folgt gleich der Berufsstand der Wasserschadensanierung. Der Berufsstand mit den meisten Seiten im Buch ist übrigens die Psychotherapie.
Und dann die Namenseinträge. Schon der große Georg Kreisler witzelte einst in der „Telefonbuchpolka“ über die oft böhmische Herkunft der Wiener (Vondrak, Vortel, Viplaschil, Voytech, Vozzek, Vimladil…). Die hat sich erweitert, die Doppelseiten reichen von Dekanovsky zu Despotovic, von Kemelbekov zu Khalifeh, von Mihajlovic zu Milosavljevic. (Vondrak gibt’s zum Glück auch noch, mit V und mit W).
Das alles erführe man nicht, läse man nicht im Telefonbuch.
andreas.schwarz@kurier.at
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