Chili-Marmelade

Über den Hass und die Intelligenz im Gemüsegarten
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

„Wo sind die ganzen Nacktschnecken hin“, frug  ein geschätzter Kollege der "Presse", die gefräßigen spanischen Wegschnecken seien heuer noch gar nicht aufgetaucht. Kunststück: Sie sind, sowie es feucht wird in diesem Sommer, alle bei mir. Im kleinen Gemüsegarten. Sie fressen   die Zucchini; sie sitzen   in den durchtunnelten Melanzani; Tomatenstauden erklimmen sie in  Everest-gleichen Seilschaften; eine Erdbeere, heuer wertvoll wie eine Trüffel, wird  im Vorbeischleimen erledigt; und liegt ein Apfel rum, hat er eine Schnecken-Schale.
Man vergisst seine humanistische Erziehung, zugegeben. Man möchte den glitschigen Räubern mit einem Feuerwerfer zu Leibe rücken, sie auf einem langen Stab aufspießen, sie  rädern, vierteilen, hängen – und dann schreckt man doch zurück, weil sie augenscheinlich intelligente Wesen sind: Den heuer erstmals gepflanzten Chili-Strauch meiden sie wie der Teufel das Weihwasser, recte: der Schneck das  Feuer.
Heuer also: Chili-Sugo, Chili-Auflauf, Chili gebraten, Chili-Marmelade, Chili-Saft – sonst gibt’s ja nix. Man muss  sich der Natur nur anpassen.    

andreas.schwarz@kurier.at
 

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