Jugend ohne Spott

Jugend ohne Spott
Klaus Eckel über die Bürde, die Welt retten zu müssen.

Neulich stürzte mein siebenjähriger Sohn in mein Büro und fragte mich, ob in seinen Pufuletis Palmöl drinnen sei. Achselzuckend las ich mir auf der Verpackung die Inhaltsstoffe durch. Palmöl fand ich nicht. Dafür Mononatriumglutamat, Dinatriumguanylat und Dinatriuminosinat. Ich nahm ihm die Pufuletis weg. Mich beschlich der Eindruck, dass selbst eine mit Germknödel belegte Grammelschmalz-Pizza gesünder sein könnte. Doch sein Anliegen gab mir zu denken. Mir waren als Siebenjähriger die Inhaltsstoffe meiner Salamisemmel völlig egal. Die Wurst hätte von kontaminierten Mastschweinen aus Tschernobyl stammen können, ich hätte freudvoll reingebissen.

Gelegentlich beneide ich mich um meine Kindheit. Ich wusste nichts von Taliban, Regenwaldrodungen und Ninja-Pass. Meine Weltreichweite war die Bezirksgrenze von Währing. Bereits Hernals war exotisches Ausland. Der heutige Nachwuchs muss sich mit der globalen Plastikvermeidung und dem weltweiten Artenschutz beschäftigen. Im Vergleich dazu fehlte uns jegliches gesellschaftspolitische Interesse. Wir waren zwar gegen Nazis, aber nur weil die Mädchen, die wir attraktiv fanden, auf ihre Rucksäcke „No Nazis“ Stickers genäht hatten. Wenn auf den Rucksäcken „No Photosynthese“ gestanden wäre, hätten wir vermutlich auch dem zugestimmt.

Keiner von uns wäre jeden Freitag auf eine Demo zur Weltrettung gegangen. Am Freitag saßen wir ab 9 Uhr früh im Café Stadtbahn und nachmittags war Bandprobe. Während dieser vormittäglichen Schul-Sabbaticals besprachen wir unsere beruflichen Ziele, wobei die seriöseste Idee auf dieser Liste Schutzgelderpresser lautete. Wir wurschtelten uns durch die Adoleszenz ohne Angst vor Arbeitsrobotern, CO2-Ausstoß und Zungenküsse ohne PCR-Test. Manchmal wünsche ich dem heutigen Nachwuchs wieder 10 dag von dieser Naivität.

Kommentare