Hypersensibel

In meinem Programm gibt es eine Pointe über Pappeln. Eine Zuschauerin hat mir geschrieben, ich möge diesen Witz unterlassen. Sie sei auf Pappeln allergisch und hatte wegen deren Blütenpollen mehrmals Heuschnupfen. Da ich äußerst kundenorientiert arbeite, habe ich die Pappel sofort durch die Kiefer ersetzt. Laut meinen Recherchen reagieren nur 0,0000012 der Weltbevölkerung auf diese Nadelbaumart mit Unverträglichkeit. Dass ein Kieferallergiker in meinem Programm sitzt, ist ähnlich wahrscheinlich, wie dass sich Herbert Kickl mit der Vernunft infiziert.
Die Zahl der Menschen, die ihren Kränkungsdetektor auf „hochsensibel“ gestellt haben, steigt drastisch. Ständig ist irgendwer beleidigt. Autofahrer, wenn sich wegen eines Radweges die Fahrspur verengt, Veganer, wenn im ORF Werbung für Leberkäse gezeigt wird und aufgrund von kultureller Aneignung, auch Jamaikanerinnen, wenn österreichische Studentinnen ihre Haare zu Rastazöpfen flechten. In diesem Fall würde ich vorschlagen, dass wir im Gegenzug den jamaikanischen Studentinnen erlauben, am Strand von Kingston zu jodeln. Mittlerweile fühlen sich angeblich auch Tiere von unseren Redewendungen beleidigt. Tierschutzorganisationen fordern deswegen eine tierfreundlichere Sprache. Für die Phrase „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ gibt es den Ersatzvorschlag „für zwei Wespen das Fenster öffnen“ und aus dem „deppaden Hendel“ soll ein „Huhn mit Inselbegabung“ werden. Selbst Primzahlen reihen sich bereits in die Liste der Beleidigten. Seit über 2000 Jahren werden diese von zwei teilbaren Zahlen eingezwängt. Die Bewegung „kränkungsfreie Mathematik“ fordert deswegen: 13:2=6. Ich möchte mich dieser mentalen Neuprogrammierung nicht verschließen. Wenn ich morgen früh gut gelaunt und ohne Kopfschmerzen aufwache, weiß ich, dass ich einen Kater habe.
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