Hoch leben die Erlebnisfalten!

Über den 30. Geburtstag, die mangelnde Würdigung des Alters und fragwürdige Schönheitsideale.
Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Dreißig.

Als Kind klang dieses Alter nach ruhigem Erwachsenenleben, nach gedecktem Esstisch um 18 Uhr, nach Lippenstift mit Perlenohrringen und nach der Sicherheit zu wissen, welche Entscheidung, die richtige ist.

Ruhig waren zumindest meine ersten Tage als Dreißigjährige zum Glück nicht und dass die Welt nicht schwarz-weiß und die Entscheidungen nicht einfacher werden, daran hab ich mich mittlerweile gewöhnt.

Überrascht hat mich dafür, wie unglaublich häufig ich dieser Tage die Frage gestellt bekam, ob mich das Datum nervös mache und ob ich mich schon an das Alter gewöhnt habe. Obwohl, vielleicht habe ich das Freundinnen vor deren Dreißiger auch ab und zu gefragt.

Aber warum ist das so? Wieso würdigen wir das Alter so wenig? Wieso versuchen wir jede Falte und jedes graues Haar zu verstecken, anstatt auf die Erfahrungen und die Erkenntnisse, die sie uns gebracht haben, stolz zu sein? Wie kam es dazu, dass makellose, faltenlose, glatte Personen das Schönheitsideal unserer westlichen Welt sind?

Natürlich weiß ich warum, weil die Mode-, die Werbe- und die Filmbranche diese Personen kontinuierlich auf ein Podest heben, sie lachend und strahlend auf Plakaten oder in Videos zeigen. Wer ständig solche Bilder gezeigt bekommt, glaubt irgendwann, dass nur diese Version die erstrebenswerte sein kann.

Tatsächlich geht es mir aber eigentlich mit jedem Jahr besser. Ich mag mich immer lieber; lerne mich besser kennen; lerne die Welt besser kennen; lerne mich schätzen; weiß mehr; auch, was ich will; habe mehr erlebt, habe mehr spannende Menschen getroffen und mir deren Erfahrungen zu Herzen genommen.

Und wenn ich dann doch einmal unruhig werden sollte, weil andere Personen mit 30 einen Oscar gewonnen haben oder die Geschicke eines Landes lenken, dann denke ich daran, dass die rumänische Künstlerin Geta Bratescu erst mit 90 Jahren ihren internationalen Durchbruch feierte.

annamaria.bauer@AnnnaMariaBauer

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