Gutes Deutsch am großen Horizont

Das ablaufende Schuljahr war das Jahr der vollmundigen Ankündigung der flächendeckenden Einführung von Deutschförderklassen.
Niki Glattauer

Niki Glattauer

Schulpolitisch war ja das aktuell ablaufende Schuljahr das Jahr der vollmundigen Ankündigung der flächendeckenden Einführung von Deutschförderklassen. Noch sind sie zwar nicht eingeführt – letzten Endes geht es nur noch um ein paar Hundert Klassen, ganze drei z. B. im Burgenland, ursprünglich waren ja 2000 angedacht –, aber im Herbst ist es so weit und dann werden „außerordentliche“ Schulneueinsteiger in eigenen Klassen pipifein Mimi sagt Mami und Zentralmatura lernen, schon damit sie später die Tests schaffen, die die Regierung zum Beweis des eigenen Erfolgs abhalten wird ;-).

Freilich kann man beobachten, dass es auch in den höheren Chargen mit den Deutschkenntnissen nicht immer so flutscht. Ist Ihnen der aktuelle TV-Werbe-Spot jener Zeitung aufgefallen, die einst mit ihrem „großen Horizont“ warb? Da siehst du im Bild die betreffende Zeitung und hörst dazu den Text: „Nur wenige Nachrichten sind es wert zu wissen.“

Hm.

Ich habe den Satz in meinem Kopf tagelang ungläubig hin und her geschoben. Richtiger wurde er dadurch aber auch nicht: Wenn wenige Nachrichten das Subjekt sind, muss ein Passiv folgen, sind sie das Objekt, stimmt das sind im Satz nicht.

Als ich den TV-Spot eine Zeit lang nicht mehr sah, dachte ich, aha, da hat am großen Horizont jemand den Notanker geworfen: Freunde, entweder es heißt „Nur wenige Nachrichten sind es wert, gewusst zu werden“ oder „Nur wenige Nachrichten ist’s wert zu wissen“ oder ihr lasst euch überhaupt etwas Schlankeres einfallen. Aber nein, der Spot ist geblieben, wie er war – in falschem Deutsch. Der mit zwei tt kommt jetzt noch dazu.

Dafür ist Sprachgefühl mitunter dort, wo man es am wenigsten erwartet. Dialog zweier geschätzt türkischstämmiger, geschätzt 14-Jähriger im Öffi.

- Schau, Bruder, da steht ‚Dieser Platz ist für Rollstuhlfahrer reserviert‘, das ist voll falsch!

- Voll falsch?

- Ja, reserviert heißt eigentlich, dass sich niemand setzen darf, man muss ihn freihalten. Wie im Restaurant. Aber das meinen sie nicht.

- Was meinen sie?

- Sie meinen aufstehen.

Sehr gut, setzen!

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