Chaos de Luxe: Knietief im Glamour
Polly Adler über ein Eldorado für Voyeuristen
Salzburg zur Festspielzeit – knietiefes Waten durch den Glamour. Eine Art Beverly Hills mit Trachtenhut, selbst die
Punschkrapferln tragen Lanz-Dirndln, ein Eldorado für Voyeuristen. In der Sacher-Bar werden Glaubenskriege um die richtige Champagner-Temperatur ausgefochten, Millionärsgattinnen, die ihre besten Jahre von der falschen Seite belugen, drehen sich in hysteriefarbenen Teepuppenkleidern. Dazwischen lungern ein paar melancholisch blickende, Pudelmützen tragende Off-Künstler, die das alles für den ganz falschen Film halten. Es fallen bezaubernde Sätze wie „Dankbar müssen wir sein, dass wir diese Sternstunde erleben durften“. Der Netrebko-Clan manövriert sich in Outfits, die unter dem Arbeitstitel „Dezenz ist Schwäche“ firmieren, durch die Japaner-Pulks. Oder sind es doch schon Chinesen? Wurscht. „Alle Kinesen san Japaner“ (©Karl Kraus). Der Kunstgenuss ist lieb, aber sekundär, in Salzburg zählt vor allem der olympische Gedanke: Man „geht“ im Sommer nach Salzburg, das gehört im neuen Geld-Milieu dazu wie der Erdspritzer besäte Range Rover und Kinder im britischen Internat. Heute sehe ich mir das Treiben des Festspiel-Irrsinns lieber von der Alten Donau aus an. Aber ja, ich habe durchaus meine schönen Salzburg-Erinnerungen. Zum Beispiel als Sunnyi Melles, damals im Buhlschafts-Dienst, gerne einen Sarg organisiert bekommen hätte, um mir im schwarzen Ebenholzkleid ein Interview zu geben. Ihre Heldin Sarah Bernhardt pflegte so, die Journalisten zu empfangen. Ich scheiterte. Mit Hingabe. Oder als ich mit meinem vierjährigen Fortpflanz unterm Arm zu einer Ibsen-Postdramatik-Sache bretterte, weil ich mir damals eingebildet hatte, Theaterkritiken schreiben zu müssen.
Das Kind flüsterte mir damals schlaftrunken: „Mama, können wir bitte auch so verrückt sein wie diese Leute auf der Bühne?“
Ich versprach ihr, mich zu bemühen.
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