Chaos de Luxe: Der Selfcare-Hype
Wissen Sie, welches Wort mir aktuell am meisten auf den Rettich geht? #selfcare, sperrig zu übersetzen mit Selbstfürsorge. Unter jedem Insta-Account, wo irgendeine Dulcinea in rebhuhnfarbenem Rauleder durch den Herbstwald tänzelt oder ihr Achtsamkeits-Yoga omt, purzelt es einem entgegen. Es ist ja auch so unfassbar idiotisch, dass die postende Menschheit für die größten Offensichtlichkeiten jetzt solche Hashtags braucht. #autumnlove, #happyme, #nature #colouredleaves, alles natürlich in voll ausländischem English. Und in diesem November, wo die Menschen so unter sozialer Unterzuckerung leiden und sich selbst ausgeliefert sind, wird die Hashtagitis noch einmal eskalieren. Glauben diese Tanten, dass unser IQ knapp über der Raumtemperatur liegt und wir nicht schnallen, dass das ein Herbstwald und entsprechend viel Natur ist? Die nächste Generation lacht sich übrigens krumm über diese #-Begriffszierleisten. Der Fortpflanz sagt, sie seien in der Community ein Indikator für Verzweiflung nach Aufmerksamkeit von Spät-Digitalisierten. Aber zurück zu diesem selfcare-Hype. Um wen, Leute, jetzt einmal abgesehen vom Kind, soll ich mich denn bitte sonst sorgen, als um mich selbst? Und was ist die Definition von selfcare? Regelmäßige medizinische Untersuchungen, Dentalhygiene oder mehr so ein Zehnerblock bei einer Energiearbeiterin, die meine inneren Blockaden mit Zedernzweigen aufdröselt? Oder ist es gar so simpel: Eine Duftkerzen-Armada und ein Kelch Rosé am Badewannenrand und man selbst feiert in der Wanne eine Schaumparty mit sich selbst? „No, chérie“, flüstert mir meine innere Bitch jetzt, „mit solchen abgeschmackten Methoden kommst du mir nicht davon!“ Ich frage das Luder: „Also eher eine Tschechow-Novelle, dazu Dylan-Bootlegs in Begleitung von Sancerre und ein Beef Trara?“ – „Na freilich“, antwortet Madame Inner-Bitch, „schließlich bin ich die Vorsitzende der hedonistischen Partei Österreichs!“
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