Braucht es, „Es braucht“?

Braucht es, „Es braucht“?
Joesi Prokopetz über Sprech-Modetorheiten und das andere "Wording".

Seit geraumer Zeit verbreitet sich besorgniserregend, weil exponentiell, ein Sprachvirus. Oder: Eine Sprech-Modetorheit geht viral.

Wo man hin hört oder – liest, „braucht es“ irgendetwas. Es braucht beispielsweise mehr Impfstoff und es braucht ein funktionierendes Impfmanagement, (auch so was, alles ist „…Management“), es braucht Transparenz, Aufklärung sowieso und wie immer, wenn Volkes Torheit hintangehalten werden muss, braucht es Zuhören und ernst nehmen. „Es braucht“ ist so eine schwachmatische Formulierung, die umso schwächer wird, je häufiger man sie hervorholt (um nicht „gebraucht“ zu schreiben). Selbst bei hochnotwendigen Anliegen, dringend erforderlichem Eingreifen und konstruktivem Bestreben wird ein semantisches Kleintier ins Rennen geschickt: „Es braucht“. Ich fürchte mich schon davor, wenn die Verniedlichung im Konjunktiv Platz greift: „Es bräuchte.“ Dabei gibt es so viele wirkmächtige Wendungen, um Dringlichkeiten zu rechtfertigen, wie ganz einfach:

„Wir brauchen…“, von mir aus „Wir fordern…“, „Wir müssen unbedingt…“, „Es ist unumgänglich, dass…“ etc.

Tröstend ist, dass Wort-Epidemien nach einiger Zeit von selbst vergehen. Erinnern Sie sich zum Beispiel noch an „Am Ende des Tages“ oder: „Legen wir los“ statt „Fang’ ma an“? Im Todeskampf befinden sich aktuell auch „zeitnah“, „fußläufig“ und „stylish“, die Ära, in der alles einfach war („einfach natürlich“, „einfach du selbst sein“) und vom Psychothriller bis zum Paar Socken alles „spannend“ war oder jeder Rülpser „genial“. Sogar der Dodelsprech vom „Ausnahmekünstler“ hat sich überlebt.

Auch „Es braucht“ wird es im Sprachgebrauch einmal nicht mehr brauchen. Da braucht es dann halt ein anderes „Wording“.

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