Lektion 16: Welchen smaragdgrünen Vorteil man als Wahlbritin hat

Okay: Manchmal, ganz manchmal schleichen sich Zweifel ein. Wenn im englischen Supermarkt schon wieder die Gurken aus sind. Wenn Brexit-bedingt ein weiteres Paket beim Zoll hängen bleibt. Wenn im Londoner Restaurant das Glas Wein so viel kostet, wie die teure Flasche im Wiener Supermarkt.
Aber diese Woche wurde aller Frust in Relation gerückt: Beim Heimatbesuch drangen nämlich vertraute Klänge aus den Smartphone-Lautsprechern und Gesprächsfetzen der Vorbeigehenden. Gespräche über Glinda, Glizz und „Defying Gravity“, die der Autorin dieser Zeilen schon vertraut waren – um es in akkurater britischer Zeitrechnung auszudrücken – , bevor Prinz William und Catherine Middleton verheiratet waren.
Schon während des Erasmus-Jahres im Jahr 2011 führte der Weg ins Apollo Theatre bei der Victoria Station.
Mit Erstaunen musste ich damals feststellen, dass der Musicalbesuch eher dem heimischen Kinogang glich: Gäste traten in Jeans und Sneakers in das imposante Gebäude. Die Winterjacke wurde nicht an der Garderobe abgegeben – eine solche gab es nicht – sondern in den Platz unter dem Klappsessel gestopft. Und in der Pause stellte man sich nicht für ein Glas Sekt an, sondern holte sich im Bauchladen der Theatermitarbeiterin ein Eis.

Die Welt, in die wir eintauchten, war smaragdgrün und voll geflügelter Affen, Feen in Seifenblasen und einer gelben Backsteinstraße. Wir saßen da, im zarten Frühling von 2011, und lauschten der beliebten Schülerin in ihrem Gefühl des Grauens und mussten schluchzen, als Elphaba der Schwerelosigkeit trotzte. Ja, diese Kolumnistin ist Wicked-Fan der ersten Stunde. Wer braucht also schon Gemütlichkeit, Stabilität oder Gurken, wenn man in diesem Land Trendsetterin sein kann?
P. S.: Schauen Sie sich das Musical in London an. Es ist besser als der Film. Und es erzählt die Geschichte zu Ende.
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