Ansichtssache

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Über das Ungleichgewicht in der Kunst: Wo sind die Einzelausstellungen über Frauen?
Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Was haben Egon Schiele, Koloman Moser und Christian Ludwig Attersee gemeinsam – abgesehen davon, dass sie herausragende Maler sind bzw. waren?

Jedem von ihnen ist derzeit in einem großen Wiener Museum eine Einzelausstellung gewidmet.

Und sie sind Männer.

Was Ersteres mit Zweiterem zu tun hat? Offenbar sehr viel.

Denn zum Vergleich: Wissen Sie, wie viele Malerinnen aktuell mit einer Einzelausstellung in Wien gewürdigt werden?

Keine.

(Die einzige Einzelausstellung über eine Frau in Wien ist aktuell im Architekturzentrum zu sehen und zeigt US-Architektin Denise Scott Brown. Es ist ihre erste Einzelausstellung weltweit.)

Wenn man sich die Geschichte ansieht, ist das nicht verwunderlich: In Österreich waren Frauen bis 1920 offiziell von der Akademie der Künste ausgeschlossen. Übrigens mit absurden Begründungen wie: Frauen könnten unmöglich an den Akt-Kursen teilnehmen, die nackte Haut der Models wäre ihnen nicht zumutbar. Aus vielen Künstler-Verbänden wurden sie danach weiter ferngehalten. Und Institutionen waren oft ebenfalls nicht interessiert. Sodass Frauen vordergründig für Private arbeiteten; in kleinerem Ausmaß, für kleineres Publikum.

Aber wieso ist das Ungleichgewicht heute immer noch so sichtbar? Wieso sind die Institutionen nicht stärker bemüht, die Versäumnisse der vergangenen Jahrhunderte aufzuholen?

Dass die Ausstellungen nicht an mangelndem Talent der Frauen scheitern, zeigt die Ausstellung „Stadt der Frauen“ im Belvedere (noch bis 19. Mai.). Zu sehen sind Werke hervorragender Malerinnen wie Tina Blau und Elena Luksch-Makowsky oder von Bildhauerinnen wie Teresa Feodorowna Ries.

Dass ihre Kunst nicht interessant genug für eine Einzelausstellung ist, ist ebenfalls leicht zu widerlegen: Bei meinem Besuch vor einigen Tagen reichte die Schlange an der Kassa durch den gesamten Eingangsbereich. Und das Untere Belvedere verzeichnet seit Beginn der Schau eine Verdoppelung der Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Wenn das kein Anreiz ist.

 

annamaria.bauer@kurier.at

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