So sorry!

Eine Bahnfahrt regt den Kolumnisten zu grundsätzlichen Gedanken über Schuld und Entschuldigen an.
Klaus Eckel

Klaus Eckel

Ich saß in der Deutschen Bahn und zählte mit. Neun Entschuldigungen wurden über die Lautsprecher ausgesprochen – bei einer Fahrt von Passau nach Frankfurt. Natürlich waren alle Bahn-Klassiker dabei: Verspätung, Reservierungen nicht gekennzeichnet, Toiletten verstopft, Anschlüsse werden nicht erreicht, Zugstillstand wegen technischem Gebrechen …

Es fehlten nur noch: "Wir haben uns verfahren", "Ein Einhorn blockiert den Bahnübergang" und „Wir stehen, weil der Zug glaubt, dass der Weg das Ziel ist". Sämtliche Gründe wurden von sprachlichen Irrtümern begleitet: "Wir entschuldigen uns" und "Wir danken für Ihr Verständnis". Mein trotziges inneres Kind hätte am liebsten die Kabine des Lokführers gestürmt und ihm ins Gesicht geschnauzt: "Sie können sich nicht selbst entschuldigen! Von der Schuld befreien kann nur das Opfer – also ich! Sie können um Entschuldigung bitten! Und bedanken Sie sich nicht für unser Verständnis! Nach einer kurzen Umfrage in Wagen 142 – keiner von uns Fahrgästen hat Verständnis! Wir erwarten, dass Sie mit nacktem, vorgebeugtem Oberkörper durch den gesamten Zug marschieren und sich mit einer Peitsche auf den Rücken schlagen. Währenddessen murmeln Sie bitte das Bahn-Mantra: Durch unsere Schuld, durch unsere Schuld, durch unsere große Schuld!"

Bedauerlicherweise blieb – im Gegenteil zu meinem inneren Kind – mein erwachsenes Ich sitzen. Vermutlich, weil mein gereifter Charakter auf drei Säulen ruht: Feigheit, Harmoniebedürftigkeit, Bequemlichkeit. Die öffentliche Entschuldigung wird langsam zur Trendsportart. Alle machen es – Politiker, Kirche, Journalisten, Influencer, Autoproduzenten, Fluglinien. Man begeht sehenden Auges Fehler und springt danach einfach auf den moralischen Resetknopf. Somit ist man Sünder, Beichtstuhl und Priester in einem. Genial. In diesem Sinne schreibe ich heute noch an das Finanzamt: "Ich entschuldige mich hiermit fürs Steuerhinterziehen und danke für Ihr Verständnis."

Zum Autor: Klaus Eckel ist Kabarettist und Buchautor. Termine 2025 auf globe.wien

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